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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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für einen Antolianer aus der Stadt, wie ich es bin, ist das eine grausame Vorstellung.“
    „Das hast du mir nie verraten“, sagte Elsa, „dass du erst mit hundert Jahren weiße Haare bekommst. Ich hätte mit fünfzig, sechzig schon alt ausgesehen und du nicht. Das hätte nicht zusammengepasst.“
    „Das wäre das geringste Problem gewesen. Jetzt bleibt es dir erspart.“
    Elsas Bewusstsein blieb an dem Menschen hängen, der da vor ihr stand. Früher hätte sie ihre Hand nach ihm ausgestreckt, doch jetzt würde sie ihn nur verbrennen. Gerade glaubte sie, dass sie blind durch eine Menschenmenge irren könnte und ihn darin finden würde. Sie würde dieses unbegreifliche Etwas aufspüren, das aus ihm sprach. Selbst jetzt, da sie ein Geist war, der Menschen eigentlich verabscheute, nährte seine Anwesenheit ihr Dasein mit Sinn. Es war ein Geheimnis, unabhängig von so vielem, doch vergänglich. Sterblich.
    „Wie viel Zeit bleibt uns noch?“, fragte sie.
    „Nicht viel. Die Ganduup haben dein Leben in der Hand und sollten nicht zu misstrauisch werden. Legard kommt auch nicht ganz ohne meine Hilfe aus.“
    „Dann müssen wir jetzt zurückgehen.“
    „Das müssen wir wohl“, sagte er und verließ den Schatten, in dem er gestanden hatte.
    Er ging schweigend und die Blumenwiese raschelte leise, als seine Schritte das hohe Gras streiften und beiseite drängten. Elsa macht e fast gar kein Geräusch. Sie schaute ihn von der Seite an, in dem Gefühl, schon sehr lange neben ihm herzuschreiten. Länger schon, als sie ihn kannte.
    „Die Frau im Bergwerk“, sagte sie plötzlich, „war die wirklich älter als ich?“
    Sie hatten fast den Stall erreicht, ein schlichtes Gebäude von beeindruckender Größe. Das Holz, aus dem er gebaut war, erinnerte Elsa an das Holz, aus dem Lian Relings Zeitmesser gemacht worden war: es hatte eine sehr glatte Oberfläche und war fein gemasert. Zwar hatten Wind und Wetter dem Holz zugesetzt, doch war es nur gealtert, nicht verwittert.
    „Ja“, antwortete er, „ich dachte, sie sei einige Jahre älter gewesen.“
    „Wie erklärst du dir das?“
    „Hast du dich selbst noch einmal gesehen? Schlafend?“
    „Nein. Die Ganduup meinten, es würde mich nur durcheinander bringen.“
    „Das würde es bestimmt. Dein Körper wird jetzt schon Jahre älter aussehen als noch vor drei Wochen. Die Körper von Ganduup altern aufgrund der Strapazen sehr schnell. Das könnte eine Erklärung sein.“
    „Du meinst …“
    „Ja?“
    „Du meinst, sie war tot? Du meinst, sie sah so aus, wie mein Körper aussehen wird, wenn ich durch das Tor gehe?“
    „Das ist die Erklärung, die mir am meisten einleuchtet.“
    „Wie gruselig.“
    „Sie sah nicht besonders tot aus und in einem hat Legard recht: Die Person, die das alles hier ganz bestimmt überleben wird, bist du. Wenn auch reichlich unirdisch und für mich nicht mehr zu erreichen. Damit werde ich mich trösten müssen, wenn das Schicksal mich verschont. Es hätte schlimmer kommen können.“
    „Vielleicht bleibe ich ja in deiner Nähe?“
    „Dann werde ich es nicht merken. Menschen sind stumpfsinnig, sie brauchen etwas Handfestes.“
    „Du hast mich im Nichts meiner Augen gefunden und du behauptest, dass Menschen wissen können, was Katzen wollen, dann wirst du ja wohl noch merken, ob ich da bin oder nicht!“
    „Da waren Augen zum Anschauen und da sind Katzen zum Anfassen. Ohne alles bin ich überfordert. Sorg dafür, dass die Menschheit übrig bleibt, und ich bin zufrieden. Der Rest ist nicht wichtig.“
    „Es ist sowieso besser, wenn du mich nicht suchst. Du sollst dich auf ein neues Leben einstellen, hat Legard gesagt.“
    „Natürlich werde ich dich suchen. Das werde ich immer tun, auch wenn es nichts bringt. Aber bevor es soweit ist, muss ich dich erst mal weglassen.“
    Er sagte es, als er in den dunklen Stall trat. Sie folgte ihm und ließ die helle Sonne schweren Herzens hinter sich zurück.
    „Ich will ganz ehrlich zu dir sein“, sagte er, während sie durch die Dunkelheit an die Stelle zurückkehrten, wo das Dach des Stalls am höchsten war, „mit dem Durchgang wird es nicht so einfach, wie Legard dir das beschrieben hat. Solltet ihr plötzlich angegriffen werden und das große Inferno beginnen, dann nicht, weil wir dich verraten hätten, sondern weil etwas schiefgelaufen ist.“
    „Falls ihr die Möwen nicht ablenken könnt?“
    „Die sind das eine Problem. Das andere sind unsere eigenen Leute. Die können sehr wohl mitbekommen,

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