Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
mich nicht mehr sehen. Sie hat mir verboten, sie noch länger zu besuchen. Sie wolle einen Schlussstrich ziehen. Dreimal darfst du raten, wer ihr das eingeredet hat. Wenn du dich jetzt fragst, warum ich ihm daraufhin nicht die Freundschaft gekündigt habe, dann sage ich dir, dass ich es fast getan hätte. Andererseits war mir klar, dass mein Weg zurück zu Amandis – so verrückt das ist – nur über ihn führen kann. Er hat die Macht über sie. Wenn er ihr sagt, sie könne mir vertrauen, dann wird sie es tun. Solange er aber sagt, dass sie mir nicht vertrauen kann, wird sie es nicht tun. Ist das nicht idiotisch?“
„Ich glaube nicht, dass sein Einfluss auf sie so groß ist. Ihre Zweifel an dir werden ihre eigenen sein.“
„Ihre eigenen Zweifel hätte ich überwunden. Aber nicht seine! Es ist nicht zu fassen! Da treffe ich dich hier, in den schwierigsten aller Zeiten, und muss feststellen, dass du ihm genauso aus der Hand frisst wie sie. Tu mir das nicht an, Elsa! Du bist doch ein kluges Mädchen!“
„Ich soll mich kopfüber verlieren, aber nicht so schlimm, dass ich jemandem aus der Hand fresse?“
„Ihm nicht. Mir meinetwegen schon.“
Elsa hatte das Bedürfnis, sich aufzusetzen. Sie versuchte es – und es war gar nicht so schwer. Sie merkte ein paar Stiche in der rechten Seite, dann war es gut. Bei der Gelegenheit sah sie sich zum ersten Mal in dem Raum um, in dem sie sich befand. Es war ein kleines Zimmer mit einer gewölbten Decke. Außer Elsas Lager, einem Stuhl, auf dem Romer saß, und einem Ofen, in dem ein Feuer brannte, gab es hier nichts. Ein kalter Luftzug kam aus dem Dunkel des angrenzenden Raums, eine Tür oder Pforte zum Schließen gab es nicht. Es hätte unheimlich sein können, doch Elsa fühlte sich sicher. Bei der Gelegenheit fiel ihr ein, dass sie sich grundlos sicher fühlte, da es doch an allen Ecken und Enden brannte. So zumindest hatte es Anbar Morawena gegenüber ausgedrückt.
„Diese Seuche in Sommerhalt, war die schlimm?“
„Sie ist immer noch schlimm“, sagte er. „Aber die Hochwelten greifen ein. Jetzt, da Sommerhalt ein strategisch wichtiger Ort geworden ist, sind sie bereit, ihre eigenen Gesetze auszuhebeln und die Seuche mit ihren Mitteln zu bekämpfen. Sie wollen ihre Soldaten, die sie in Feuersand aufgestellt haben, nicht unnötigen Gefahren aussetzen. Das ist ein Glück. Denn was einem Land an Katastrophen passieren kann, das ist Sommerhalt in den letzten vier Monaten zugestoßen. Erst Stürme, dann Überflutungen, dann ist das Korn in den Scheunen verschimmelt und verdorben. Auf einmal reden die Nachbarn von Krieg, nur Istrian ist noch vernünftig und steht auf Nadas Seite. Dann diese Seuche … Nach allem, was ich so mitbekomme, sind die Zustände in Sommerhalt kein Einzelfall. Die Ganduup richten Chaos an, wo sie nur können, weil es die Menschen in die Verzweiflung und an die Waffen treibt.“
Elsas Zuversicht bekam einen Dämpfer, als sie das hörte. Vielleicht wäre es besser gewesen, all das gar nicht zu erfahren. Einen Moment lang schaute Romer betrübt vor sich hin, dann wechselte er auf einmal das Thema und seinen Gesichtsausdruck. Er bekam etwas Schwärmerisches.
„Weißt du, worüber ich schon oft nachgedacht habe?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Du könntest es wissen“, sagte er, „wenn du es wagen würdest, in unsere gemeinsame Vergangenheit zu schauen.“
„Die war nicht so schrecklich, warum muss ich da etwas wagen?“
„Du müsstest dich einer Erfahrung stellen. Der Erfahrung, Amandis zu sein!“
Elsa schaute ihn verständnislos an.
„Du weißt doch“, fuhr er fort, „wann ich sie das erste Mal gesehen habe. In Brisa, als Anbar dich mitgebracht hat. Als du sie warst. Als du ihr Gesicht hattest!“
„Und weiter?“
„Ich frage mich oft, ob das der Fehler in meinem Leben war. Der entscheidende Fehler. Ich habe mich in die Frau verliebt, die genauso aussah wie Amandis, und dachte, ich hätte mich in Amandis verliebt. Aber vielleicht ging es mit Amandis so schief, weil die eigentliche Liebe, der ich hinterherlaufe, du bist. Du in der Gestalt von Amandis!“
„Solange nicht ich es bin, in der Gestalt von mir, der du hinterherläufst, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.“
„Nimm mich gefälligst ernst, Elsa!“
Er sah verzweifelt aus, schön verzweifelt, mit zerzausten Locken und glühendem Blick.
„Glaub mir, Elsa, ich wäre ganz anders als er! Ich würde alles stehen und liegen lassen, wenn du es wolltest.
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