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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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einer Mappe zurechtsteckte und einer anderen Frau ein Handzeichen gab. Dabei wurde Elsas Gesicht ganz nass. Kurz wunderte sie sich über diesen Zusammenhang, bis sie bemerkte, dass die Nässe aus ihren Augen lief. Sie heulte und konnte nicht damit aufhören.
    In die Wachen am Eingang der Höhle kam Unruhe. Jemand sagte etwas von Espen Wolt. Dann betrat ein Mann die Höhle, dessen Augen Elsa schon mal gesehen hatte. In Fonorr.
    „Habt ihr sie?“, fragte der antolianisch-mitfühlende Kommandant.
    Espen Wolt schüttelte den Kopf.
    „Wir haben sie im Zwischenraum verfolgt, dann haben wir die Spur verloren. Aber wir kriegen sie noch, so wie die da!“
    Die da, das war Elsa. Das heulende, eingeschnürte Etwas. Zu allem Überfluss – und das konnte man wörtlich nehmen – lief ihre Nase heftigst und sie konnte sich nicht schnäuzen oder wenigstens ihr Gesicht am Ärmel abstreifen. Nichts konnte sie tun, weil sie völlig unfrei war.
    „Du kommst gerade rechtzeitig“, sagte ein älterer Mann, den Elsa vorher noch nicht gesehen hatte. Er kam ihr vor wie ein Doktor, weil er so eine beruhigende Stimme hatte und ein Gerät um den Hals hängen hatte, das Elsa an das Stethoskop erinnerte, mit dem sie vom Doktor in Istland immer abgehört worden war.
    „Ihr seid soweit?“, fragte Espen Wolt.
    Der Doktor suchte den Blick der Wissenschaftlerin und diese nickte.
    „Ja. Wir können anfangen.“
    Espen Wolt schaute Elsa an, die heulenden Augen, die laufende Nase, das verschnürte Bündel, das kaum wusste, wie es knien sollte, und dem inzwischen alles weh tat, und sagte:
    „Ihr müsst sie knebeln, sonst beißt sie zu. Ich hab gesehen, wie sie durchdreht, wenn man sie angreift.“
    Sie starrte ihn fassungslos an. Als zwei Möwen ihr etwas in den Mund stecken und um den Kopf wickeln wollten, protestierte sie. Sie glaubte, dass sie protestierte, aber zu ihrem Schrecken hörte sie, dass sie nur schrie. Sie schrie um ihr Leben und schüttelte den Kopf hin und her, aber sie hielten sie mit vereinten Kräften fest und beraubten sie jeder Möglichkeit, auch nur ein Wort zu sagen. Viel zu spät fiel ihr ein, dass sie vielleicht noch etwas hätte ausrichten können. Eine ungefährliche Nachricht für Anbar. Nämlich dass es ihr leid tat und dass er sie überschätzt hatte und dass eines Tages doch noch alles gut werden würde, auch ohne sie, und dass sie sowieso nichts dazu hätte beitragen können. Oder noch viel besser, sie hätte behaupten können, dass alles in Ordnung so war und dass es ihr nichts ausmachte zu sterben, obwohl es ihr sehr viel ausmachte, damit er getröstet wäre. Das wäre eine großartige Tat gewesen, aber das konnte sie sich jetzt abschminken. Ihre Worte würden niemals ankommen, weil sie die Gelegenheit, sie abzuschicken, verschlafen hatte. Sie war eine Versagerin auf der ganzen Linie, alles war zu spät und jetzt kam der Doktor heran, mit einer Nadel in der Hand.
     
    Sie sträubte sich mit allen Kräften, die ihr zur Verfügung standen. Sie wand sich, sie drückte mit dem Kopf gegen die Hände, die ihn festhielten, sie gab Geräusche von sich, vor denen ihr graute. Sie heulte, die Tränen strömten unablässig, aus reiner Todesangst. Es half ihr nichts. Gegen alle Widerstände führte der Doktor die Nadel an ihrem Hals ein, tiefer und tiefer, wie ihr schien, um sie dann wieder herauszuziehen. Sie schluckte, immer wieder musste sie schlucken, und dann spürte sie Schwindel. In ihrem Kopf sauste alles durcheinander. Zwischen unzusammenhängenden Gedanken glaubte sie zu wissen, dass sie gelähmt war. Doch eine andere Wahrnehmung meldete ihr, dass sie zuckte. Sie sah die Stirn des Doktors, auf der Schweißperlen standen. Er litt. Das Licht in der Höhle färbte sich grün, doch nur auf einem Auge. Mit dem anderen sah sie die Luft um sich herum in zuckenden Wellen auf- und abwabern.
    Lauter Splitter von Eindrücken wirbelten durch ihr Hirn, die sie nicht mehr zusammenpuzzeln konnte. Sie hörte, wie der Doktor das Wort „Nervengift“ benutzte und etwas von „keine Sorgen machen“ sagte. Dann lichtete sich das Gespinst von Möwenfäden. Elsa sah es nicht, ein Blick in den Zwischenraum war ihr in dem Zustand nicht mehr möglich. Sie spürte es nur, dass die Fesseln, die man ihr um die Seele gelegt hatte, gelöst wurden. Die wiedergewonnene Freiheit nutzte ihr aber nichts, denn ihre Seele war nur ein Chaos, abhängig von einem Körper, in dem ein Gift wütete. Etwas passierte mit ihr, das wusste sie wohl, und ein

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