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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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Richard ihn an. »Wir haben miteinander telefoniert. Sie freute sich auf unser Wiedersehen! Da geht sie doch nicht kurz vorher hin und ...«
    »Es gäbe da noch eine andere Möglichkeit.« Herbie sah ihn einen Moment lang schweigend an und überlegte fieberhaft, wie er seinen Gedanken Ausdruck verleihen konnte, ohne dass Richard ihn gleich als Spinner abstempeln würde. »Nimm doch mal an, sie war gar nicht alleine hier. Und dann nimm mal, des Weiteren an, jemand hat ... nun ja ... bei ihrem Sturz nachgeholfen.«
    »Du meinst ... Mord?« Richard blickte ihn mit einer Mischung aus amüsierter Verwunderung und ernsthaftem Zweifel an dem eigenen Gehör an.
    Herbie zuckte verlegen mit den Schultern und wedelte mit den Händen. »Nun, ich denke, man sollte ruhig auch so was in Betracht ziehen. Hast du noch nie daran gedacht?«
    Richards Gesicht verzog sich zu Herbies Verwunderung zu einem breiten Grinsen. »Ach, Herbie!« Er legte mit einer jovialen Geste den Arm um ihn, und seine Stimme bekam mit einem Mal eine Färbung, die Herbie stark an vergangene Schulzeiten erinnerte. Er hatte sie schon damals gehasst, diese herablassende Art, mit der ihn Richard immer behandelt hatte. Es war kein verächtliches Herabschauen, sondern vielmehr eine penetrante Art falscher Gütigkeit, die die Grenze zwischen dem Gewinner und dem Verlierer viel deutlicher zog als jeder Spott und jede Anzüglichkeit. Er hatte diesen Richard Kley zwar bewundert, wie man eben jemanden bewundert, der es schafft, ein Glas Kölsch im Kopfstand in sich hineinzuschlürfen, ohne sich zu bekleckern, aber sie waren keine wirklichen Freunde gewesen. Nein, wirklich nicht.
    »Wenn du mal nüchtern überlegst, wird dir niemand einfallen, der Rosi etwas Böses wollte. Ich meine, wir haben sie doch beide gekannt. Gut, ich weiß nicht, was in den vergangenen zwei Jahren geschehen ist, aber es bleibt, wie es ist: Sie war eine Seele von Mensch. Manchmal war sie einfach zu gut.« Er stockte. »Und deshalb rate ich dir: Spinn nicht rum, und suche hier nicht irgendwelche Geheimnisse, wo es keine gibt. Mag sein, dass dies ein ungewöhnlicher Ort zum Sterben ist, aber wer weiß, was sie hergetrieben hat.«
    Der rote Sonnenball berührte die milchigen Konturen der Eifelhügel im Westen. Herbie schauderte ein wenig. Es wurde kühl.
    »Aber es ist doch merkwürdig, dass sie ausgerechnet jetzt starb. Kurz bevor ihr euch wiedertreffen wolltet. Hat sie vielleicht irgendetwas erwähnt am Telefon? Irgendetwas, was ihr wichtig erschien. Eine Neuigkeit.«
    Richard lachte. »Von meinem Onkel hat sie erzählt. Von seiner Drecksbude da hinten. Sie nannten ihn hier alle Raben-Päul, weil er einen echten Tick hatte. Der und seine Raben. Krähen, Elstern und all so was. Sie hat ihn oft besucht, bevor es mit ihm zu Ende ging.« Sein Finger wies in eine unbestimmte Richtung feldeinwärts. »Von seinem jämmerlichen Tod und von seinen letzten Tagen hat sie mir erzählt. Nichts Bemerkenswertes, nein, wirklich nicht.«
    »Dein Onkel? Vielleicht war da irgendetwas ...«
    Richard packte ihn bei den Schultern. »Hör mir mal gut zu, Herbert Feldmann!« Sein Gesicht rötete sich, und Herbie konnte nicht sagen, ob es der Zorn oder der Widerschein des Abendrots war, der sich darin spiegelte. »Kannst du dir auch nur andeutungsweise vorstellen, wie ich mich fühle? Ich habe gerade meine Frau verloren! Meine Frau, die ich zwei Jahre lang nicht gesprochen habe und die ich noch einmal wiederzusehen gehofft hatte. Das Letzte, was ich jetzt hören will, sind irgendwelche idiotischen Fantastereien, in denen es um Mord und Totschlag geht! Ich weiß nicht, was dich dazu bringt, dir solche Dinge auszudenken. Vielleicht hast du ja Langeweile oder es hängt mit deinem komischen Julius zusammen, der dir was ins Ohr flüstert, was weiß ich? Ich weiß nur, dass ich heute Morgen mit der Polizei gesprochen habe, dass mich jeder aus dem Dorf anspricht, dem ich über den Weg laufe, und dass ich nachher noch das außerordentliche Vergnügen habe, mit Rosis Mutter, die aus Berlin anreist, über die vergangenen zwei Jahre und Rosis Tod zu palavern. Und keiner – ich betone – keiner sagt etwas von Mord oder so!«
    Julius trat an Herbies Seite und murmelte:   Abgesehen davon, dass mir das Adjektiv »komisch« im Zusammenhang mit der Nennung meines Namens missfällt, gebe ich dem jungen Mann recht: Dies ist nicht der rechte Zeitpunkt, mit ihm etwaige Unregelmäßigkeiten bezüglich Rosis Ableben zu diskutieren .
    Herbie

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