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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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Hosentasche, linke Hosentasche, rechte Tasche des Jacketts, linke Tasche des Jacketts. Faßbender reichte ihm beflissen ein frisch gebügeltes Taschentuch aus der Innentasche seines schwarzen Jacketts. Herbies Reaktion rührte und verunsicherte ihn zugleich. »Tut mir leid. Ich ahnte ja nicht, dass Sie mit dem Jahr Ein... dass Sie damit so viele schmerzliche Erinnerungen verknüpfen.«
    »Einundzwanzig ...«, riskierte Herbie schluchzend einen Versuch. »Rot ...«, murmelte er, als er mit weinerlicher Miene das halb volle Glas betrachtete, und schnäuzte sich vernehmlich.
    »Genau!«, jubelte Faßbender, der angestrengt Herbies Genuschel verfolgt hatte. »Mouton Rothschild, 1921! Ich wusste es, Lohse.« Dann kippte er nach. Julius schnaufte erleichtert.   Mit allzu großer Kombinationsgabe bist du ja nicht gerade gesegnet, aber auch angesichts dieses Zufallstreffers möchte ich bemerken: versenkt!
    »Reden wir von erfreulicheren Dingen.« Herbie faltete das Taschentuch und gab es Faßbender zurück, der einen Moment lang zögerte, unschlüssig, was er mit dem vollgeschnupften Tuch anfangen sollte. »Erzählen Sie noch was Erheiterndes von Ihrer Schauergestalt!«
    »Wie?«
    »Na, diese Fritz.«
    »Scheint Sie beeindruckt zu haben.« Faßbender trank geräuschvoll schlürfend, wie das Weinkennern nun einmal so zu eigen zu sein scheint. »Die spinnt. Bedauernswertes Geschöpf. Hat irgendwelche Geheimnisse. Schleicht in den letzten Tagen dauernd rum, nutzt jede freie Minute, um im Wald zu verschwinden. Vielleicht hat sie sich ja einen pickligen, alten Köhler geangelt.« Er lachte wieder ausgelassen und füllte sein Glas erneut.
    »Sie verschwindet tatsächlich im Wald?« Herbie nippte am Wein.
    »Nicht schlecht, der Tropfen. Habe viertausend für die Flasche gelöhnt. Ja, also, jede Pause und jeden Feierabend pünktlich um zehn schlägt sie sich in die Büsche und schleppt irgendwas vom Hotel mit. Die ist blöd genug zu glauben, dass ich das nicht sehe. Ha!« Die Geschwindigkeit, mit der er die Gläser leerte, nahm zu.
    »Klaut sie denn irgendwas?«
    Faßbender winkte entschlossen ab. »Bei unseren Gästen kommt nix weg! Und was immer sie vom Hoteleigentum da in ihr Versteck oder sonstwohin schleppt, das kriege ich schon spitz. Und dann kann sie sich den Hut auf ihre hässliche Birne schrauben und den Abflug machen.«
    »Kennen Sie viele Leute aus der Gegend?«
    »Klar doch! Ich kenne sie alle! Bin doch im Stadtrat. Ich kenne ming Säu am Jang!« Er kicherte. Der Alkohol zeigte viel rascher seine Wirkung, als das bei einem Weinfanatiker zu vermuten stand. »Alles Pack!« Dann torkelte Faßbender ein letztes Mal nach vorne zu einem Regal, das etwas isoliert stand und in dem nur wenige Flaschen eingelagert waren. Eine von ihnen hob er vorsichtig heraus, fast so, wie eine fürsorgliche Mutter ein Neugeborenes aus seiner Wiege hebt. Er hielt sie Herbie für einen Augenblick hin, damit dieser das Etikett begutachten konnte, das ihn ebenso unbeeindruckt ließ wie all die anderen zuvor. »Château Iqem 1921«, hauchte Faßbender. »Etwa sechstausend Mark.« Dann beeilte er sich, das gute Stück rasch wieder in sichere Verwahrung zu bringen. »Daneben drei Flaschen 45er Haute Brion, gleiche Preisklasse.«
    »Seit wann geht das denn so mit dieser Fritz?«
    »Da war diese ... Ausstellung.« Faßbender schnappte nach Luft und ließ einen Rülpser folgen. »Am nächsten Tag ...« Zwei tiefe Schlucke Rotwein hinterher. »... da hat sie nach der Vernissage aufgeräumt. Und zwischendurch, da habe ich gesehen ...« Faßbender bekam Schluckauf. »... da habe ich gesehen, wie sie sich durch die Hintertüre aus dem Staub machte ... Hässliche Kröte.« Sein Erzählen wurde undeutlich, seine Bewegungen schwungvoll und zugleich doch kraftlos. Julius deutete auf den Ausgang, und Herbie nickte. Er sah auf die Uhr. Es war kurz vor zehn. Mit etwas Glück konnten sie die geheimnisvolle Hotelbedienstete namens Fritz bei ihrem nächtlichen Streifzug durch Feld und Flur beobachten. Als Herbie sich langsam in Richtung Ausgang stahl, begann Faßbender, leise vor sich hinzusummen, während er eine weitere Flasche öffnete. Über ihren Wert wagte Herbie nicht zu spekulieren. Faßbenders Flüche, die Welt im Allgemeinen und alle Vollidioten im Besonderen betreffend, wurden immer unflätiger. Und der Alkohol förderte das zutage, was er sonst mehr oder weniger erfolgreich kaschierte: die jämmerliche Gestalt eines eitlen, machtbesessenen Emporkömmlings

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