Rabenschwarz
Hildegard Schütze-Appelbach und klammerte sich fest an den vor Zorn bebenden Körper ihres Teilzeitliebhabers.
»Von meinem Mann!«
»Von meiner Frau!«
* * *
Nach einer Weile hatte Herbie aufgehört zu zählen.
Ich sage ja, es ist kompletter Unsinn, die Sekunden und Minuten zu zählen. Was nützt es dir, wenn du ohnehin nicht weißt, wie spät es ist?
»Du hast ja recht.«
Er verlagerte sein Gewicht auf das rechte Knie. Das linke drohte wieder einmal einzuschlafen. Die Kälte hatte sich von unten durch ihn durchgefressen. Selbst die Teile seiner Kleidung, die bisher noch einigermaßen trocken geblieben waren, hatten sich jetzt mit Luftfeuchtigkeit vollgesogen und klebten nassklamm auf seiner Haut. Er war dazu übergegangen, die Finger einzeln in den Mund zu stecken und anzulutschen, wodurch sie sich jeweils für eine kleine Weile erwärmten.
»Ich wüsste zu gerne, wie die Beerdigung ausfällt, die Tante Hetti für mich inszenieren wird.«
Von »inszenieren« kann keine Rede sein. Sie wird bedauern, dass Massengräber heutzutage meist nur noch in Kriegsgebieten vorzufinden sind .
»Vielleicht exportiert sie mich auf den Balkan.«
Zu deiner Beruhigung, Wertester: Einige der genialsten Leute sind in Massengräbern beigesetzt worden. Mozart zum Beispiel .
»Fritz und Rufus werden niemals nach Afrika kommen.«
Nun mach dich mal nicht unentbehrlich!
»Eins verstehe ich nicht, Julius: Warum steckt dieser Pastor mich hier rein? Er hätte mich direkt erschlagen können, wenn er den Eindruck hatte, dass ich ihm auf den Fersen war, oder?«
Vielleicht dachte er, du wärest tot. Er hat dich möglicherweise nur in diesen Kuhsaftbunker gestopft, um Zeit zu gewinnen. Niemand soll seinen Besuch auf dem Hof mit deinem Ableben in Verbindung bringen .
»Mag sein.« Herbie kratzte sich am Kopf, und von seinem Ellbogen tropfte Milch zurück in die Tiefe. Das Tröpfeln schallte in der Stille des Tanks.
Aber da war noch ein anderes Geräusch!
Zuerst war es kaum wahrnehmbar, aber dann schälte es sich deutlich aus der Stille heraus, die Herbie mittlerweile regelrecht in den Ohren summte. Schritte!
Herbie jauchzte auf und holte weit aus. Dann ließ er seine Fäuste in wildem Stakkato auf die Metallwand donnern.
Nach ein paar Sekunden hielt er inne, um zu lauschen, und merkte erschrocken, dass es draußen wieder still geworden war. Er wollte gerade wieder voller Panik lostrommeln, als plötzlich Geräusche über seinem Kopf laut wurden. Jemand machte sich an dem Deckel des Tanks zu schaffen.
Sekunden später drang das grelle Licht der nackten Glühbirne, die von der Decke des schäbigen Raumes baumelte, in dem der Tank untergebracht war, in das Innere des Tanks, und zwei Augenpaare starrten vollkommen verstört auf Herbie hinunter, der ihnen aus dem Milchsee erleichtert entgegenlächelte.
»Dat jitt et ja net! Dat han isch noch nie jesehn«, hauchte Bauer Schlösser und rieb sich das stoppelige Kinn.
»Dann hät die Stemm am Telefon ja doch net jelore!«, stellte seine Frau fest.
Dreizehntes Kapitel
Fritz schüttelte den Kopf und lachte leise vor sich hin, als sie vom Parkplatz an der alten Münstereifeler Polizeistation durch das Werthertor gingen.
»Kleopatra hat in Eselsmilch gebadet, damit ihre Haut geschmeidig wurde«, sagte sie.
»Aber nicht bei diesen Temperaturen! Der Bauer sagte, dass es nur ungefähr drei Grad waren. Bevor ich in dem Kasten erstickt wäre, wäre ich eher erfroren!«
Oder ertrunken. Bloß gut, dass du keine Milchallergie hast .
»Gott sei Dank war es wirklich nur eine Dreiviertelstunde, die du da drin zubringen musstest!«
Sie erreichten das Café T , das durch seine Fenster gemütliches warmes Licht auf das herbstlich nasse Kopfsteinpflaster von Bad Münstereifels Fußgängerzone warf. Fritz öffnete die Türe, da Herbie sich weigerte, die Hände aus den wärmenden Jackentaschen zu nehmen. Das glühend heiße Vollbad im Luxusschaumbad seiner Hotelsuite hatte zwar seine Lebensgeister geweckt, aber eine innere Kälte hatte sich in ihm festgenagt und verließ seinen Körper nur langsam und widerwillig.
Du gehörst eigentlich ins Bett, Teuerster. Du hättest dir im Hotel eine De-Luxe-Wärmflasche aus mundgeblasenem Kautschuk für dein De-Luxe-Bett bringen lassen sollen und hättest deinen Second-Class-Körper in das Vier-Sterne-Bett versenken sollen .
Aber Herbie hatte noch etwas vor. Laut Fritz tagten zu dieser Stunde die Mitglieder der Theatergruppe in Bad Münstereifel, nachdem
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