Rabenschwarz
recht.
»Wisst ihr, ich habe die Rosi gekannt«, sagte er und rührte in seinem fünften Grog. »Die war wirklich klasse.«
Thorben schien seine sentimentale Ader entdeckt zu haben und nickte schwermütig. »Der einzige Mensch auf der Welt, der ohne zu mosern meine Kostüme geändert hat, auch wenn ich zehnmal ab- und wieder zugenommen habe.« Er kicherte albern und bekam von Catrin einen Ellenbogenhieb. Der schlaksige Blonde namens Mori stimmte ebenfalls zu. »Die hat sich richtig wohl bei uns gefühlt. War zwar ein paar Jährchen älter, aber trotzdem war die richtig gut drauf.«
»Hatte Rosi denn keinen Freund in der letzten Zeit?« Herbie merkte, wie seine Zunge schwer wurde.
Jacqueline schüttelte den Kopf. »Ein paar haben es probiert. Aber alle sind abgeblitzt. Sie war ja auch noch verheiratet.«
»Mit Richard.« Catrin nickte nachdenklich. »Seltsam. Nie hat sie von ihm gesprochen. Aber in der letzten Woche, da hat sie plötzlich immerzu von ihm erzählt.«
Herbie wurde hellhörig. »Gutes?«
Sie nickte.
»Sie hat mit ihm telefoniert«, warf Fritz ein, um das Gespräch auf der richtigen Bahn zu halten.
»Aber erst, als dieser Alte gestorben war«, meinte Catrin.
Fritz nickte. »Päul.«
»Wusste ich gar nicht.« Thorben zündete eine Zigarette an und trank sein Glas Weizenbier leer.
»Unsere Theaterfrauen haben Geheimnisse vor dir, Thorben«, sagte Haffner listig. »Das muss unterbunden werden.«
»Rosi hat mich gefragt, ob sie ihn anrufen soll«, berichtete Jacqueline. »Ich habe gefragt: Wieso? Nur weil sein entfernter Onkel krank ist? Der Kerl hat dich sitzen lassen!«
»Und als es dann hieß, dass er nach Deutschland kommt, da war sie total aus dem Häuschen. Sie sagte, dass er bald da wäre und ihr eine schwere Gewissenslast abnehmen würde«, fuhr Catrin fort.
»Gewissenslast?«, fragte Fritz. »Davon hat sie nie was erwähnt.«
»Ja! Am Abend vor ihrem Tod, da hat sie mich noch mit ihrem Auto nach Münstereifel zur Post mitgenommen. Sie erzählte, dass Richard gesagt habe: ›Warte nur, bis ich da bin, dann klären wir das.‹ Es klang so ungeheuer wichtig. Und sie hat niemandem etwas davon erzählt. Wieso also gerade Richard?«
»Ihr meint also ...« Herbie riss sich zusammen, um nicht zu sehr zu lallen. »Ihr meint, dass sie Richard am Telefon in irgendetwas eingeweiht hat?«
»Klang jedenfalls so.«
Herbie sah Fritz an. »Ich sollte morgen doch ... vielleicht dann doch noch einmal bei ...« Er musste aufstoßen. »... bei Richard vorbeischauen. Möglicherweise hat sie in einem Nebensatz irgendwas erwähnt, dem er ... den er ... bei dem ... dem er gar nicht die richtige Bedeutung beigemessen hat.«
Die fünf sahen Fritz und ihn an. »Fragt ihr euch etwa durch?«, wollte Haffner wissen. Nervös kippte Herbie seinen Cognac runter, den Thorben spendiert hatte.
Du solltest deine Zunge hüten, mein Herzblatt! Deine Unterwanderungstaktik wird offensichtlich, wenn du den Grog weiter so konsumierst, als wärest du trinkfester als Harald Juhnke!
»Und du ...«, wandte sich Herbie jetzt direkt an Julius, der am Nachbartisch saß und seine Fingernägel polierte, »du solltest dich hier nicht so aufspielen, als kämst du ... als kämst du von der ... vonner Heilsarmee! Du Landplage!« Dann rutschte er polternd unter den Tisch, und alle sahen sich verwundert an.
Vierzehntes Kapitel
Als Herbie am nächsten Morgen das Auto erneut in Richtung Bad Münstereifel lenkte, wusste er gar nicht mehr, welcher Umstand größere Schuld an seinen dröhnenden Kopfschmerzen trug: die Tatsache, dass man ihm um ein Haar den Schädel gespalten hatte, oder die, dass er im Verlauf des Vorabends sein übliches Alkohollimit um Längen überschritten hatte. Er passierte das Ortsschild mit der Aufschrift Buchscheid und gab Gas, als an derselben Stelle wie am Vortag der dicke Alte wieder versuchte, eine Gratisfahrt nach Euskirchen zu erbetteln.
Herbie dachte an die vergangenen beiden Stunden zurück. Es war ein Morgen der Telefonate gewesen.
Zuerst hatte Tante Hetti ihn in aller Frühe aus dem Bett geklingelt. Den Vorwurf, dass er den ganzen Abend nicht zu erreichen war, wies er zurück, indem er dringende Ermittlungen vorschob, was ja auch irgendwie den Tatsachen entsprach. Um seinen Fantasien genügend Gewicht zu verleihen, flocht er in seine abenteuerlichen Erzählungen noch ein konspiratives Treffen am Radioteleskop in Effelsberg und eine haarsträubende Komponente names
Weitere Kostenlose Bücher