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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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gegenüberstand. Ob dieser Jemand aus Fleisch und Blut war oder nur ein Trugbild, das war ihm egal.
    Während des Zähneputzens erinnerte sich Herbie dann bruchstückhaft an den Vorabend, und er versuchte, Richard zu erreichen. Richard musste ihm unbedingt noch einmal den exakten Wortlaut des Telefonats mit Rosi wiederholen! Nach Angabe der Theaterleute gab es irgendeine Komponente darin, die sie anscheinend übersehen hatten.
    Aber Richard war nicht zu erreichen, und Herbie beschloss, später noch einmal bei ihm vorbeizufahren.
    Danach bediente er sich dann ausgiebig am Frühstücksbuffet und zog wegen seines überdimensionierten Schuhwerks die neugierigen Blicke des gesamten Hotelpersonals auf sich.
    Und jetzt fuhr er also mit klapperndem Auspuff auf Tante Hettis pompöser Auffahrt vor.
    Er entschied sich, das Auto unmittelbar vor ihrer Haustüre abzustellen, da er hoffte, durch den Anblick des beklagenswerten Zustands seines Autos wenigstens so etwas wie einen Funken Reue in Tante Hetti hervorzurufen. Weit gefehlt! Als sie die Haustüre öffnete, sagte er mit geübt ironischem Unterton: »Schau mal! Mein neues Auto.« Aber seine Tante quittierte das, neben einem tadelnden Blick auf ihre brillantenbesetzte Armbanduhr, nur mit einem beiläufigen: »Soso. Wenn du es ein bisschen besser pflegst als deine Fingernägel, hast du gewiss noch eine Weile Freude daran.« Dann schob sie ihn unter Zuhilfenahme ihrer orientalischen Krücke ins Haus. Sie dirigierte ihn ins Wohnzimmer, wo heute, wie auch sonst durchaus üblich, die Audienz abgehalten wurde. Im Polster des riesigen Brokatsessels versank Herbie auch wie jedes Mal. Seine Tante baute sich vor ihm auf. Sie stützte die Hände auf die Krücke, beäugte für einen Moment beeindruckt die Beule an seiner Stirne und senkte dann nachdenklich ihren Blick zu Boden.
    »Hör mir jetzt gut zu, Herbert!« Sie räusperte sich. Herbie fand, dass sie in den letzten Tagen gealtert war.
    Ich finde, sie sieht keinen Tag älter aus als hundertelf , kam es von Julius.
    Julius?
    »Wo ...?« Herbie fuhr herum und erblickte seinen Wegbegleiter an einer antiken Standuhr lehnend. Sofort fasste er sich und drehte sich wieder zu Tante Hetti um. Die hatte seine Reaktion mit wachsendem Unbehagen zur Kenntnis genommen. »Da ist doch nicht etwa ...?«
    »Was? Oh nein, Tante! Nein, nein!« Herbie winkte mit beiden Händen ab.
    Fein! Nur weiter so! Gestern Abend schimpfst du mich eine Landplage. Heute verleugnest du mich schon wieder einmal. Tausend Dank!
    Herbie stieß innerlich einen Verzweiflungsschrei aus. Das hatte ihm noch gefehlt. Zu allem Überfluss musste Julius nun auch noch die Mimose herauskehren!
    Seine Tante begann erneut: »Ich weiß nicht, was du da oben in Buchscheid treibst, aber ich bete jeden Tag inständigst zu Gott darum, dass er mir meinen geliebten Hund heil und gesund zurückbringen möge. Und darum, dass du mir mit deinen Extratouren dabei keinen Strich durch die Rechnung machst.« Sie umrundete den kleinen Chippendaletisch, und Herbie erblickte ein kleines cremefarbenes Lederköfferchen, das sie nun mit geradezu theatralischer Geste öffnete. Zum Vorschein kam das mit gebündelten Hundertmarkscheinen prall gefüllte Innere, wie Herbie es aus zahllosen Kriminalfilmen kannte.
    Ich frage mich, ob diese Köfferchen extra zu diesem Zweck zu erwerben sind. Die Bündel passen immer exakt aneinandergereiht hinein!
    »Das ist viel Geld. Nicht viel für mich, aber mehr, als du vermutlich in deinem gesamten nutzlosen Dasein jemals mit ehrlicher Arbeit verdienen wirst.« Sie ließ den Koffer wieder zuschnappen, bevor Herbie sich an den Anblick gewöhnen konnte. »Ich möchte, dass dieses Geld heute Abend gegen meinen Hund ausgetauscht wird. Sollte es dir im Nachhinein gelingen, das Geld zusätzlich wieder zu mir zurückzubringen, könnte ich mich dazu hinreißen lassen, den Hotelaufenthalt aus meiner Tasche zu bezahlen.«
    »Aber ...« Herbie erschrak. »Du sagtest doch ...«
    »Mein lieber Herbert. Ich wusste genau, dass du in dem Moment, in dem du die Chance witterst, ein paar Tage auf Kosten deiner Tante zu prassen und zu schlemmen, hemmungslos über die Stränge schlagen würdest. Die Hotelrechnung geht selbstverständlich auf deine Kosten.«
    »Das ist nicht fair!«
    »Widersprich mir nicht!« Ihr Ton gewann an Schärfe. »Noch habe ich das letzte Fünkchen Hoffnung in dich nicht verloren. Betrachte das neue Fahrzeug, das du seit gestern besitzt, als Zeichen meines guten

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