Rabenschwarz
Mondlicht Julius’ Silhouette aus dem Dunkel hervorhob.
Da bahnte sich ein Auto seinen Weg auf der schmalen Straße.
Rufus spannte jeden Muskel an.
Ein gelber Ford Fiesta. Es war nur Köbes.
Herbie atmete trotzdem auf. Wenigstens dieser Teil des Plans funktionierte!
Er beeilte sich, aus dem Wagen herauszukommen, und lief Köbes entgegen. Aus seinem Auto erscholl, wie üblich, laute Monumentalmusik. »Dead again. Patrick Doyle ... Gefällt’s dir?« Köbes wirkte ungewohnt betrübt.
»Ausnehmend gut.« Herbie bat ihn, die Musik auszuschalten, was Köbes auch ohne Gegenwehr tat. »Ich habe einen Brief von Ulrike gekriegt«, jammerte er. »Sie ist mit ihrem Trierer Lover auf die Bahamas geflogen.« Tröstend klopfte Herbie ihm auf die Schulter. Aber richtiges Mitleid wollte sich heute Abend bei ihm gar nicht einstellen. Er dachte an Fritz und überlegte fieberhaft, wie er jetzt weiter vorgehen musste. Köbes kletterte mühsam aus dem Auto und umrundete es. »Die Kofferraumklappe ist ein bisschen lädiert. Ich musste mit Draht improvisieren«, murmelte er und bückte sich. »Bitte krieg keinen Schrecken, wenn du das Fell von dem Köter siehst! Da war diese Dose Lack im Kofferraum, und ...« Aus dem Heck des Wagens ertönte bedrohliches Knurren.
Dann kam das dritte Fahrzeug!
Es war rot. Das sahen sie erst, als es schon ganz nahe war. Es war ein Golf. Rosis Golf!
Er rollte ganz langsam auf sie zu und wurde so gelenkt, dass die Scheinwerfer die gesamte Szenerie taghell ausleuchteten. Etwa zehn Meter vor ihnen kam er zum Stehen. Der Motor wurde ausgeschaltet. Die Lampen leuchteten immer noch hell.
Rufus stieg aus dem Kadett und stellte sich breitbeinig neben Herbie. Seine Kiefer malmten, sein Blick war trotzig. Herbie fühlte sich ungemein hilflos.
Richard stieg aus. Er trug eine rote Jacke. Seufzend stützte er sich auf der geöffneten Türe des Autos ab. Er hatte eine Hand in das Innere des Wagens gerichtet. Sie konnten nur vermuten, dass sich in dieser Hand die Pistole vom Raben-Päul befand.
Richard schwieg einen Moment. Er kratzte sich am Kopf, und Herbie hatte den Eindruck, dass es ihm schwerfiel, die richtigen Worte zu finden.
Nicht gerade ein eiskalter Killer, dein Freund Richard. Ob er beim Herrn Pastor auch so gezaudert hat? Oder bei Rosi?
Herbie räusperte sich. »Julius fragt, ob es dir bei Rosi auch so schwergefallen ist.«
Rufus warf ihm einen fragenden Blick zu. Julius?
Richard wischte sich über die Mundwinkel. »Sag ihm, es war viel schwerer. Sag ihm, dass ich das überhaupt nicht vorhatte«, stieß er mühsam hervor. »Ich habe Rosi schließlich geliebt. Das hätte alles gar nicht passieren dürfen.«
»Es war ein Unfall?«
»Allerdings. Es ging alles nur um diese verfluchte Kassette. Ich hatte die grandiose Idee, Faßbender zu erpressen. Ich kriege jetzt richtig Kohle von ihm, verstehst du? Er hat panische Angst davor, dass diese Sache bekannt wird. Er hat mit meinem Onkel zusammen diesen Feldschütz getötet. Damals, 1951. Selbst wenn ihm da heute keiner mehr am Zeug flicken kann, wegen Verjährung oder Minderjährigkeit oder was weiß ich, dann hieße das trotzdem, dass er seinen Laden dichtmachen kann. Das würde er nie verwinden. Ich habe das direkt erkannt.« Er schluckte. »Aber die Rosi hat sich gesträubt. Verdammte Scheiße, sie war immer so ehrlich!« Er schlug mit der flachen Hand auf die Autotür. Der Knall schallte durch den nächtlichen Wald. Aus dem Kofferraum des Fiesta meldete sich Bärbelchen zu Wort. »Sie wollte mir die Kassette partout nicht geben, riss das Band heraus und wollte sie hinunterwerfen. Sie sagte, das Letzte, was sie zulassen würde, wäre, dass ich die Kassette bekäme. Dann warf sie sie in den Steinbruch hinunter. Es war so schrecklich! Wir kämpften am Rande des Abgrunds. Manchmal denke ich, sie wollte sogar hinunterstürzen.« Er atmete schwer und rieb sich die Schläfen.
»Geht es Fritz gut?«, fragte Rufus zaghaft.
Richard nickte. »Sitzt hier drin. Ich musste sie nur fesseln und knebeln. Sie wollte mich reinlegen.«
»Und jetzt?«, fragte Herbie. »Weißt du, wie’s weitergeht?«
Rufus machte Anstalten, auf den Golf zuzulaufen.
Das ist nicht gerade klug, was unser Neger da machen will .
»Halt!«, schrie Richard schrill. »Das würde ich nicht tun. Ihr habt alles verdorben! Ich habe dir gesagt, du sollst die Finger von dieser Sache lassen, Herbie! Habe ich es dir nicht gesagt?« Er sog die Luft tief ein. »Du bist mir in der Schule schon
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