Rabenzauber
der Tür stehen, holte tief Luft und nickte dem Kämmerer zu, ihn anzukündigen.
»Erhebt Euch für Kaiser Phoran, möge seine Herrschaft niemals enden!«
Wenn sie nie beginnt, dachte Phoran, kann sie dann je enden?
Schweigen breitete sich aus, und Phoran betrat lässig das Zimmer, gefolgt von einem Pagen, den er wegen seiner geringen Körpergröße ausgewählt hatte, damit der Stapel von Pergamenten, den der Junge vor sich hielt, noch beeindruckender aussah.
Phoran selbst trug seine bunteste, glitzerndste Kleidung - sein Kammerdiener hatte leise etwas über Straßenhuren gemurmelt. Phoran hatte zunächst mit einem konservativeren Gewand begonnen, war aber dann zu dem Schluss gekommen, dass das die falsche Botschaft übermitteln würde. Er wollte nicht verkünden: Seht, ich habe mich für euch verändert. Er wollte, dass sie ihn als Kaiser anerkannten, und zwar zu seinen eigenen Bedingungen.
Sein Haar war gelockt, das Gesicht blasser gepudert als das jedes anderen Lebemannes am Hof. Ein kleiner, blauer, neben sein Auge gemalter Stern passte zu den glitzernden blauen und silbernen Sternen, die auf den Teil seines Gewands gestickt waren, der aus purpurrotem Samt bestand.
Er eilte sich nicht, sondern zwang sich, eher gelangweilt zu tun, während die Ungeduld der Septs beinahe fühlbar wurde. Schließlich erreichte er den Platz, der für den Kaiser reserviert war. Eine dünne Staubschicht bedeckte die eingelegte Oberfläche seines Podiums, auf die der Junge auf seine Geste hin die Pergamente platzierte, bevor er ihn zu Douver, dem Ratssekretär, scheuchte.
Der Page bestellte Douver, was man ihm aufgetragen hatte, und der Sekretär starrte Phoran ungläubig an. Phoran starrte zurück und tat sein Bestes, weder nervös noch selbstzufrieden zu wirken, als der Page zu ihm zurückkehrte.
Douver räusperte sich. »Septs des Reiches, ich fordere Euch auf, Euch nacheinander zu melden, sodass unser ruhmreicher Kaiser weiß, wer an dieser Besprechung teilnimmt. Jeder Sept wird sich melden, wenn ich seinen Namen vorlese.« Er griff nach einem Papier, und Phoran nahm demonstrativ das erste Pergament von seinem Stapel, das eine Kopie der Liste des Sekretärs war.
Am Ende erwies sich, dass vierundzwanzig Septs abwesend waren. Phoran kreuzte ihre Namen an, während der Rat
dabei zusah. Alle im Raum wussten, dass mindestens achtzehn der Nichterschienenen sich im Palast aufhielten.
»Danke«, sagte Phoran freundlich, und ohne Einleitung griff er nach der ersten Vorlage. »Das Handelsabkommen zwischen den Septs von Isslaw und Schwarzwasser wird durch kaiserliches Dekret offiziell anerkannt.«
Er legte das erste Pergament zu Seite und griff nach dem nächsten. Als er beim zehnten angelangt war, begannen die Septs, unbehaglich das Gewicht zu verlagern - bis auf Avar, der mit verschränkten Armen dasaß und Phoran nachdenklich ansah, als der junge Kaiser sein Theater fortsetzte.
Phoran nahm das fünfzehnte Pergament und las: »Für seine Dienste für das Imperium soll der Sept von Jenne das Land vom Iscar-Felsen bis zum östlichen Feld des Kersey-Hügels erhalten, eine Schneise, die nicht breiter ist als zehn Meilen.«
Er blickte auf und fand den Sept von Jenne auf seinem üblichen Platz am Ratstisch. »Welche Dienste habt Ihr dem Reich denn erwiesen, Jenne?«
Der Mann, den er angesprochen hatte, stand auf. Er war ein Zeitgenosse von Phorans Vater, also etwas über mittleren Alters, hatte eisengraues Haar und einen kurzen Bart. Er verbeugte sich. »Eure kaiserliche Majestät, es ging um den Ärger, den die Webergilde im vergangenen Jahr hatte. Ich war in der Position, den vertriebenen Kaufleuten beim Sammeln dringend benötigter Gelder behilflich sein zu können.«
»Ah«, sagte Phoran. »Wir hatten uns schon gewundert. Aber dieser Vorschlag wird abgelehnt. Ihr könnt Euch wieder hinsetzen, Jenne.« Er legte das Pergament nach links, neben den Stapel der unterzeichneten Dokumente.
Er hatte schon nach der nächsten Vorlage gegriffen, als die allgemeine Lähmung nachließ und der Sept von Gorrish aufsprang, gefolgt von vielen seiner Anhänger.
»Ich protestiere!«, rief er laut, und das war das Letzte, was man deutlich verstehen konnte, denn danach schrie praktisch der gesamte Rat der Septs missbilligend auf den Kaiser ein.
Phoran legte das Pergament, das er in der Hand hatte, wieder zurück auf den Stapel und wartete äußerlich so kühl, wie es ihm bei seinem klopfenden Herzen möglich war, bis der Aufruhr sich legte.
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