Rabenzauber
dass Tier ihn mochte, und es ihm schwerfiel, seine eigene Verantwortlichkeit zuzugeben. »Aber wenn mein Onkel weitergelebt hätte, hätte er nie zugelassen, dass ich mich solchen Exzessen hingab.«
»Und Ihr wäret inzwischen an die Macht gekommen«, sagte Tier. »Wie alt seid Ihr? Vierundzwanzig? Die Septs hätten Euch seit fünf Jahren direkt unterstanden.«
»Sehe ich Schatten, die es gar nicht gibt?«, fragte Phoran.
»Ich weiß es nicht«, sagte Tier. »Aber wenn Ihr das tut, dann geht es mir ebenso. Ich habe sie bisher für mein eigenes Problem gehalten, oder vielleicht sogar für ein Problem der Reisenden. Aber mit so vielen Septs als Mitglieder würde jede Gruppe mächtig sein, und mächtige Gruppen suchen mehr Macht. Ich weiß nicht, ob Zauberer Seuchen schaffen können, aber es ist wirklich seltsam, dass so viele vom Pfad überlebten, um zu erben.«
»Ich habe einen Brief an Eure Frau geschickt«, sagte Phoran zögernd.
Tier riss den Kopf hoch, aber Phoran konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.
»Ich schrieb ihr, Ihr befändet Euch hier im Palast«, fuhr Phoran schnell fort. »Ich sagte ihr, dass Ihr noch lebt, dass es aber gefährlich wäre, hierherzukommen. Ich habe sie angewiesen, mit mir oder Euch durch den Boten in Kontakt zu treten - er war einer der Männer meines Onkels, der die letzten zehn Jahre im Ruhestand verbrachte. Mein Onkel war ein kluger Mann; ich kann mir nicht vorstellen, dass sich einer von seinen Leuten zum Pfad locken ließ.«
Tier lachte plötzlich. »Ihr habt ihr gesagt, es sei gefährlich, wie?«
Phoran nickte. »Das hielt ich für das Beste.«
»Dann können wir damit rechnen, dass sie eine Woche nach Empfang des Briefes hier auftauchen wird«, sagte er. »Und sie wird uns helfen. Ich bin kein Reisender, aber meine Frau ist Reisende, und wenn Ihr ihr genug Informationen gegeben habt, wird sie alle anderen Reisenden mitbringen, wenn sie kommt.« Wieder lachte er. »Danke.«
»Ich habe auch an Gerant geschrieben«, fuhr Phoran fort. »Direkt nach der Ratssitzung. Ich denke, er sollte wissen, was der Rat beinahe getan hätte.« Er zögerte. »Es war ein langer Brief. Ich habe ihm von der Situation berichtet, in die ich mich selbst gebracht habe, und ihn dann gebeten, hierherzukommen, um mir gegen den Pfad zu helfen. Ich sagte ihm, ich wüsste aus der besten Quelle, dass er ein ehrlicher Mann ist.«
Tier lachte. »Dafür wird er sich bei mir sicher bedanken wollen - aber er wird kommen. Er ist beinahe zu alt zum Kämpfen, fünfzig oder so, aber er hat mehrere Söhne, alles gute Männer.« Er begann eine leise Melodie zu spielen, sprach aber weiter. »Wenn der Pfad so schlimm ist, wie wir denken, wird es gut sein, wenn Ihr Gerant hinter Euch habt. Die Zauberer werden ihn auch nicht erschrecken; eine seiner Schwiegertöchter ist eine Zauberin, und er hatte damals, als ich ihn kennenlernte, mehrere unter seinen Leuten. Ich nehme an, Ihr habt ihm sein Land gerettet?«
Phoran erzählte die Geschichte seines Triumphs. Tier war ein guter Zuhörer. Er lachte an den richtigen Stellen und grinste, als Phoran ihm erzählte, wie Avar alle zum Schweigen gebracht hatte.
»Ich kann sehen, wieso Ihr ihn mögt, Phoran«, sagte Tier. »Würdet Ihr von einem alten Soldaten einen Rat annehmen?«
»Warum nicht?«, erwiderte Phoran.
»Es gibt hier viele Sperlinge, die durchaus zu guten Männern werden könnten, wenn sie ein Ziel hätten, eine Aufgabe, an der sie arbeiten könnten. Niemand ist loyaler als einer, der mit sich und seinen Verdiensten zufrieden ist - jemand, der ein Interesse an der Stabilität Eures Throns hat. Findet Aufgaben für sie.«
Phoran lachte. »Wenn überhaupt jemand Hoffnung haben sollte, dass man sich verändern kann, dann ich. Gebt mir eine Namensliste, und ich werde mir etwas einfallen lassen.«
»Das Militär würde für die meisten funktionieren«, sagte Tier. »Die Sperlinge beschäftigen sich hier oft mit blutlosen Duellen, und es gibt einige gute Schwertkämpfer unter ihnen.«
Phoran schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wohin ich sie schicken sollte. Die Stadtwachen werden von den Kaufmannsgilden bestimmt. Die Positionen bei der Palastwache sind überwiegend erblich - und einer der Raubvögel ist Hauptmann der Wache. Und freiwillig würde sich ohnehin kein Adliger einer dieser Truppen anschließen.«
»Ihr seid doch selbst ein Sept, oder?«, fragte Tier.
»Ja, Sept von Taela und Falkenburg - aber Falkenburg ist ein bedeutungsloser Titel. Es
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