Rabenzauber
Dutzenden von Laternen von innen und außen beleuchtet. Sie wollen sich Mut machen, dachte sie, denn es war noch nicht dunkel genug, als dass man wirklich eine Laterne gebraucht hätte, um etwas zu sehen, obwohl es bei diesem Regen nicht lange dauern würde, bis die Dunkelheit hier Fuß fasste.
Zu den Veränderungen, seit sie zum letzten Mal zu Hause gewesen war, gehörte auch eine Menschenmenge, die offenbar aus den Einwohnern des gesamten Dorfes bestand, und alle hatten sich einem Troll zugewandt, der sich über dem Weg nach Redern aufgebaut hatte.
Seraph schob sich an den ersten Rederni vorbei, überwiegend Frauen und Kindern, und in den leeren Bereich vor ihnen, wo sie innehielt, um zu ermessen, wie gewaltig die Aufgabe war, die vor ihr lag.
Es war ein Waldtroll, moosig-grün und größer als seine zahlreicheren Vettern, die Bergtrolle. Wenn man von den Ohrläppchen ausging, die so lang waren, dass sie die verkrümmten Schultern berührten, musste er älter sein als jeder andere, den Seraph zuvor gesehen hatte.
Dass Trolle zwei Arme und zwei Beine hatten, hatte dem Gerücht Raum gegeben, diese Geschöpfe seien mit Menschen verwandt. Aber Seraph war sich gewiss, dass jeder, der so etwas behauptete, noch nie einem Troll gegenübergestanden hatte. Kleine rote Augen lagen tief und dicht beieinander in einem Kopf, der so breit war, wie Scheck lang war; die Nase bestand lediglich aus zwei Schlitzen in der knotigen Haut. Stoßzähne bogen sich aus seinem Maul und drückten die Unterlippe herunter, um faustgroße, gezackte Schneidezähne
zu entblößen, die den Schädel einer Kuh mit einem Biss zerbrechen konnten.
Einer von Seraphs alten Lehrern hatte spekuliert, Trolle seien womöglich Kobolde oder andere kleinere Geschöpfe, die vom Schattenkönig verändert worden waren. Er hatte erzählt, Trolle seien zum ersten Mal nach der Niederlage des Schattens in Büchern und Geschichten erwähnt worden.
Aber wie immer sie entstanden sein mochten, Seraph wünschte sich, dass dieser hier weit entfernt wäre, statt auf dem Weg nach Redern auf und ab zu stapfen, wo sein Kopf über die Bäume hinausragte.
Soweit sie sehen konnte, hatten sich fast alle gesunden jüngeren Männer aus Redern an den Schutzzauber gestellt, der den Troll bisher aufgehalten hatte, beinahe als könnten sie sehen, wo der Bann sich befand. Was Seraph bei Leuten, die hier im Felsengebirge geboren und aufgewachsen waren, nicht gewundert hätte - aber vielleicht sagte die Erfahrung ihnen auch nur, wie weit der Troll gehen konnte. Einige hatten Bogen und Schwerter, aber die meisten waren mit allem bewaffnet, was ihnen zur Verfügung stand. Seraph sah Bandor, den Mann von Tiers Schwester, mit einem der großen Messer, die er zum Brotschneiden hernahm.
Den Waldkönig konnte sie nicht sehen - und auch nicht Jes, aber das überraschte sie nicht. Wenn einer von beiden hier war, würde er im Wald bleiben und nicht inmitten einer Menschenmenge stehen.
Tier befand sich ganz vorn bei den Verteidigern. Sie erkannte ihn mühelos über die anderen hinweg, denn er war der einzige Berittene. Nicht viele Pferde konnten so dicht an einen Troll geritten werden, aber Scheck war ein ausgebildetes Schlachtross.
Der Wallach stieß ein schrilles Wiehern aus, wie es kämpfende Hengste taten - und Wallache offenbar ebenfalls. Seine
Brust und sein Hals waren nass von Schweiß und Regen. Er legte die Ohren zurück und erhob sich in einer langsamen, beherrschten Bewegung auf die Hinterbeine. Schlachtrosse, hatte Tier ihr einmal erzählt, waren dazu ausgebildet, ihre Angst in Zorn zu verwandeln - genau, wie es Seraph selbst für gewöhnlich tat.
Tier hatte sein Schwert gezückt; noch hatte er es nicht gehoben, aber er hielt es bereit.
Eine zufällige Bewegung der Menge ermöglichte Seraph einen raschen Blick auf Rinnie, die direkt hinter Scheck stand. Sie war immer noch ein Kind, mit nur den ersten winzigen Anzeichen jener Frau, die sie einmal sein würde. Sie hätte neben dem Krieger und dem Troll jämmerlich aussehen sollen, aber ihr gesamter Körper leuchtete heller als die Laternen, an denen Seraph gerade vorbeigekommen war.
Im ersten Augenblick reagierte Seraph mit der Bewunderung für die Macht eines Kormorans.
Aber das Gefühl hielt nicht lange an, denn sie wusste, dass Rinnie sich noch nicht gut genug beherrschen konnte, um solche Macht im Zaum zu halten - und sie würde auch gegen einen Troll nichts ausrichten können. Seraph drängte sich zwischen den Männern
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