Rabenzauber
gesamten Troll.
Seraph musste zugeben, dass dies ein schlauer Zug war. Aber woher wusste Jes so viel über diese Ungeheuer, um eine solche Schwäche auszunutzen?
Jemand hatte auf sie gehört, denn ein Brandpfeil flog in das Maul des Trolls. Sobald sie ihre Aufmerksamkeit darauf richtete, wurde ihr bewusst, dass sie schon seit einigen Minuten Feuer gerochen hatte. Sie drehte sich um und sah zehn Bogenschützen, Lehr eingeschlossen. Sie schossen allesamt Brandpfeile ab, die jedoch schwer zu zielen waren, denn sie waren von unerfahrenen Leuten in ölgetränkte Lumpen gewickelt worden.
Mehrere Pfeile endeten schwelend auf dem feuchten Boden vor dem Troll, aber der, den Lehr abschoss, landete zwischen den klaffenden Kiefern des Ungeheuers, direkt neben dem ersten Treffer. Seraphs Sohn schoss in rascher Folge noch zwei weitere Pfeile ab. Auf jeden Treffer folgte lauter Jubel von den anderen Dorfbewohnern, von denen einige das Ziel nun ebenfalls trafen.
Wütend kämpfte der Troll darum, das Maul schließen zu können. Jes’ Krallen bohrten sich in feste Haut und rissen riesige Wunden, aber das gestattete dem Troll dennoch, das Maul wieder zu schließen. Er fiel zu Boden und rollte sich herum, sodass Jes wegspringen musste. Gestank nach verbranntem Fleisch stieg auf, als der Troll sich weiterwälzte und versuchte, das Feuer von einem Dutzend Pfeilen zu löschen.
Der Panther knurrte und wich zurück, bis er neben Gura stand, der unsicher wieder auf die Beine kam. Sobald offensichtlich
wurde, dass das Feuer den Troll genügend ablenkte, verschwand die große Katze im Wald und trieb den Hund dabei vor sich her.
Seraph hörte Hennea murmeln: »Gut so, Jes. Verschwinde einen Augenblick. Wir können wirklich nicht brauchen, dass die Leute hier noch mehr Angst bekommen, als sie schon haben.«
Der Wind wurde langsam stärker, dann kam eine Bö auf und fachte die Flammen an, die die Fehlschüsse im sturmfeuchten Gras verursacht hatten. Gleich darauf setzte jemand - es musste Hennea sein - Magie ein, um das Feuer wieder zu ersticken.
»Rinnie«, sagte Seraph mit beißender Stimme. »Das reicht jetzt.«
Aber selbst ihr scharfer Ton, der im Alltag meistens funktionierte, erreichte nichts. Rinnies Körper wurde weiterhin von Macht geschüttelt.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Tier.
»Ruf sie, Tier«, sagte Seraph. »Schnell.«
»Rinnie?«, fragte er.
»Nicht so«, entgegnete Seraph. »Wie du Scheck in der Nacht gerufen hast, als der Bär in die Scheune einbrach. Sie reitet das Unwetter, und es wird sie umbringen, wenn du sie nicht zurückholen kannst.«
Er brauchte keine weiteren Erklärungen.
»Rinnie«, sagte er, und seine Stimme hatte die durchdringende Kraft des Donners.
Die Kinder waren nicht die Einzigen, die in diesem vergangenen Frühjahr etwas über ihre Weisungen gelernt hatten. Tiers Stimme klang lauter, als sie tatsächlich war - Seraph konnte spüren, dass sie tief in ihre Knochen drang, obwohl er sie nicht einmal gerufen hatte. Selbst der Troll hörte einen Augenblick auf, um sich zu schlagen.
Seraph konnte die Veränderung des Wetters spüren, schon bevor es wieder zu regnen begann - diesmal ein sanftes Nieseln, das dem Unwetter schließlich die Kraft nehmen würde. Sie seufzte erleichtert. »Hennea, sorge dafür, dass der Troll trocken bleibt, damit er zu Asche verbrennt.«
»In Ordnung.«
»Papa«, sagte Rinnie, die Tier wie betäubt anstarrte. »Ist er tot?«
Tier steckte sein Schwert ein, schwang sich von Schecks Rücken und stieß ein Grunzen aus, als er den Boden erreichte. Aber seine Knie hielten ihn nicht davon ab, Rinnie hochzuheben und fest an sich zu ziehen.
»Still«, sagte er. »Du bist jetzt in Sicherheit.«
Aber er hatte sich zu früh gefreut.
Der Troll rollte über den Schutzzauber und damit auf sie zu.
Tier, der mit dem Rücken zu dem brennenden Ungeheuer stand und Rinnie ansah, wurde vollkommen überrascht. Der sterbende Troll versetzte ihm einen Schlag, der ihn umriss. Tier rollte sich herum, bis Rinnie unter ihm lag, und schützte sie mit seinem Körper.
Aber der Troll wusste nun, wo sie waren, hob eine dreifingrige Hand und umklammerte Tiers Beine.
Das Ungeheuer lag immer noch quer auf Seraphs Schutzzauber, und sie gebrauchte nun zum ersten Mal in ihrem Leben Worte, die von den Zauberern von Colossae an ihre Reisendenkinder weitergegeben worden waren.
»Sila-evra-kilin-faurath!«
Die Schutzzauber veränderten sich und wurden zu etwas anderem, heraufbeschworen von ihrem
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