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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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Leben der Frauen wurde von ihren Männern diktiert.
    Reisende waren, was das anging, ein wenig freier. Ein Bogenmacher konnte sich entscheiden, lieber als Schmied zu arbeiten, wenn er das wollte, solange er weiterhin zum Wohl des Clans beitrug. Es gab keine Gilden, die verhinderten, dass eine Person tat, was sie wollte. Und es waren die Frauen, die den Clan führten. Nur die Leben jener, die eine Weisung hatten, waren von dem Moment an festgelegt, wenn ein Rabe bei ihrer Geburt feststellte, dass sie begabt waren.
    Kein Reisender hätte einen Raben je gefragt, was er oder sie werden wollte.
    Sie musste zu lange geschwiegen haben, denn er sagte: »Diese Frage hat mich heute auch verblüfft. Aber ich habe etwas gelernt. Was würdest du also tun?«
    »Raben heiraten nicht«, sagte sie plötzlich. Es war einfach, mit ihm zu reden, besonders im Dunkeln. »Wir können uns die Ablenkung nicht leisten. Wir haben mit den normalen Arbeiten im Clan nichts zu tun. Kein Kochen oder Feuerholzsammeln. Wir flicken nicht einmal unsere eigene Kleidung oder nähen sie.«
    »Du kannst gut kochen«, sagte er.
    »Das liegt daran, dass Ushireh es überhaupt nicht konnte. Ich habe viel gelernt, als wir nur noch zu zweit waren. Aber Rabe sein ist nicht, als wäre man Bäcker, Tier. Du konntest es hinter dir lassen und Soldat werden. Du kannst auch jetzt
gehen und Bauer werden, wenn du willst. Aber ich kann nicht aufhören, Rabe zu sein.«
    »Aber wenn du das könntest - was würdest du tun?«
    Sie lehnte sich zurück, stützte sich auf die Hände und ließ die Beine baumeln, weil die Bank ein bisschen hoch für sie war. »Ich würde eine Ehefrau sein, wie die alte Vettel, die in Eberdock an der Westküste ein Gasthaus betreibt. Sie hat zwei Hände voller Kinder, alle größer als sie, und alle machen Platz, wenn sie vorbeikommt. Ihr Mann ist ein alter Seemann mit nur einem Bein. Ich glaube nicht, dass ich je gehört habe, wie er etwas anderes als ›Ja, meine Liebe‹ sagte.«
    Das überraschte Tier, und er musste sich bemühen, ein Lachen zu unterdrücken.
    Sie lächelte zufrieden im Dunkeln. Das Seltsamste an ihrer Aussage war, dass sie der Wahrheit entsprach. Diese alte Frau hatte ihr Gasthaus, ihre Kinder und deren Männer und Frauen, und sie liebten sie alle. Sie lebte in der Welt des Tageslichts, wo umschattete Dinge nicht einzudringen wagten, und die Kinder in ihrer Familie hatten keine größere Verantwortung, als ein paar Pferde zu pflegen oder ein Gästezimmer sauber zu machen.
    Aber am meisten beneidete Seraph sie, weil diese weise alte Frau, als Seraphs Onkel die Gäste an der großen Feuerstelle mit Geschichten von Geistern und Schatten unterhalten hatte, nur lachend den Kopf geschüttelt und gesagt hatte, sie habe Besseres zu tun, als sich Geschichten über Ungeheuer anzuhören, die nur erfunden worden seien, um Kinder die ganze Nacht wach zu halten.
     
    Also blieb sie, obwohl sie hätte gehen sollen. Aber eine Woche oder ein Monat machten kaum einen Unterschied, was ihre Pflichten anging - nach allem, was sie wusste, würden wahrscheinlich
auch ein Leben oder zwei kaum etwas ausmachen. Also blieb sie.
     
    »Zieh das nicht raus. Das ist eine Irisknolle; die Pflanze wurde nach dem Blühen abgeschnitten«, sagte Tiers Schwester mehrere Wochen später. »Weiß du denn nicht mal, wie man Unkraut jätet?«
    Seraph ließ die unselige Pflanze los, richtete sich auf und hätte beinahe gestöhnt, als sie den Rücken entspannte. »Nein«, sagte sie, obwohl sie das Alinath gegenüber schon erwähnt hatte, als diese sie zum Jäten geschickt hatte. Wie hätte sie es lernen können? Die Kräuter und essbaren Pflanzen kannte sie, aber mit Blumen hatte sie überhaupt keine Erfahrung.
    Tier war nach dem Mittagessen davongestürmt, weil seine Schwester und seine Mutter ihm so sehr auf die Nerven gingen - die Letztere war nur aus dem Bett aufgestanden, um ihn dazu zu bringen, sich eine Frau zu suchen. Seitdem hatte Alinath auf Seraph herumgehackt, als wäre sie es gewesen, die Tier vertrieben hatte. Seraph hatte schon ein halbes Dutzend Arbeiten erledigt, aber Alinath hatte sie immer weitergeschickt, weil etwas - echt oder eingebildet - an der Art, wie Seraph es tat, ihr nicht passte.
    »Dann hör auf«, sagte Alinath. »Ich fürchte, Bandor oder ich werden fertig jäten müssen. Du bist wirklich vollkommen nutzlos, Mädchen. Kannst nicht nähen, kannst nicht kochen, und Unkraut jäten kannst du auch nicht. Die Backstube muss gefegt werden -

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