Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
wird.«
     
    Alle anderen schliefen an diesem Abend bald ein, aber Phoran war ruhelos aus einem Grund, den er selbst nicht benennen konnte. Er schob die Decken beiseite und zog die Stiefel wieder an. Jes öffnete die Augen, dann schloss er sie wieder, als Phoran an ihm vorbeiging. Toarsen und Kissel schliefen beide fest, und er umging sie vorsichtig, denn anders als Jes hätten sie ihn nicht allein davongehen lassen.
    Fünfzig Schritte entfernt vom Lager gab es eine kleine Erhöhung, und er ging in diese Richtung. Als er oben ankam, wartete das Memento auf ihn.
    Es war dunkler als die Nacht und größer als Phoran. Es beugte sich seltsam grazil herab, und lange dünne Rankenfinger von etwas schlangen sich um Phorans Handgelenk.

    Seine Ärmel waren weit, also fiel es ihm nicht schwer, einen davon hochzuschieben und die Innenseite seines Ellbogens zu entblößen. Phoran zischte, als die Reißzähne des Mementos sich in seine Haut senkten. Er hatte vergessen, wie kalt es war und wie weh die Prozedur tat.
    Als das Memento fertig war, sackte Phoran zu Boden, den Arm an die Brust gedrückt.
    »Da ich dein Blut genommen habe, schulde ich dir eine Antwort. Wähle deine Frage.« Das geschlechtslose Flüstern war nicht weniger beängstigend als beim ersten Mal, da es mit ihm gesprochen hatte.
    »Wer ist der Schatten?«, fragte Phoran.
    »Er, der Seele und Geist für Macht und ewiges Leben gibt. Der Gierige.«
    »Das weiß ich. Aber das meinte ich nicht, und das weißt du auch«, fauchte Phoran. Aber es war sinnlos zu protestieren. Er hätte seine Frage eben besser formulieren sollen. Und es gab immer noch morgen. Er schloss die Augen gegen den dumpfen, verzehrenden Schmerz in seinem Arm. »Gib mir einen Namen.«
    »Ich gebe dir alles, was ich an Antwort habe«, sagte es und verschwand in der Nacht.

14
    I elian ging neben Lehr her, den Bogen auf der Schulter. Noch immer war es nicht richtig hell, und Kälte hing in der Luft.
    Als sie weit genug vom Lager entfernt waren, um von niemandem gehört oder gesehen zu werden, fragte Ielian: »Warum ich? Warum nicht Jes oder Rufort?« Beide kannten sich mit dem Jagen doppelt so gut aus wie er.
    »Ihr werdet es schon schaffen«, sagte Lehr, und Ielian nahm diese Worte als das Kompliment, das sie auch waren. »Jes ist immer noch unruhig, weil Mutter und Hennea heute allein in die Bibliothek gehen wollen. Wenn ich ihn mitnähme, wäre es gut möglich, dass er sich nach kurzer Zeit umdrehen und verschwinden würde. Wenn Gefahr besteht, kann man auf meinen Bruder zählen, aber wenn es nur um Arbeit geht, lässt er sich ziemlich leicht ablenken. Toarsen und Kissel würden Phoran nicht allein lassen - und Papa braucht zu viel Hilfe im Lager, als dass ich alle drei mitnehmen könnte.«
    »Und Rufort?«
    »Rufort ist ein guter Jäger, aber Jagen macht ihm nicht wirklich Spaß.« Lehr grinste plötzlich. »Außerdem kann Papa einen starken Rücken besser gebrauchen als wir.«
    »Was jagen wir denn heute?«
    »Ich dachte, wir könnten eine schönes fettes Stück Rotwild finden«, sagte Lehr. »Da wir offenbar eine Weile hier verbringen
werden, haben wir sicher Zeit genug, das Fleisch haltbar zu machen.«
    Weiter von Colossae entfernt standen die Bäume dichter beisammen und bildeten schließlich einen kargen Wald.
    »Ich habe eine Frage«, sagte Ielian.
    »Und welche ist das?«
    »Eure Mutter spricht von sechs Weisungen - aber mir hat man beigebracht, dass es nur fünf gäbe.«
    Lehr lachte. »Das hatte ich ganz vergessen. Es gibt Falke, Rabe, Eule, Kormoran, Lerche und Adler. Adler ist derjenige, von dem Ihr noch nichts gehört habt. Mutter sagt, die Reisenden sprechen nicht viel über die Adler, nicht einmal untereinander. Und niemals mit Außenseitern.« Er war ernst geworden. »Der Adler - der Hüter - ist anders und schwerer zu ertragen.«
    »Eure Mutter nennt Jes manchmal Hüter.«
    Lehr nickte. »Jes ist Adler.«
    »Aber er ist …« Ielian versuchte, es so höflich wie möglich auszudrücken, und versagte.
    »Langsam?«, schlug Lehr vor. »So wirkt er manchmal. Mutter sagt, er passt manchmal nicht auf, aber das liegt daran, dass er sich immer im Gespräch mit seiner Hüter-Hälfte befindet. Die Weisungen wurden von den Zauberern von Colossae geschaffen, und ich glaube, beim Adler haben sie etwas falsch gemacht. Der Adler soll seinen Clan beschützen - Jes kann bei einem Kampf ziemlich gut sein.«
    Ielian nickte. »Ich habe ihn gesehen, als der Pfad fiel.«
    »Dann wisst Ihr es ja - ah,

Weitere Kostenlose Bücher