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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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gerne um. Es erinnerte sie an die seltsamen Orte, an denen sie gewesen war. Hier gab es ein Stück Jade von einer Insel weit im Süden und dort eine angeschlagene Tasse mit einem Muster am Rand, das sie an einen Wüstenstamm erinnerte, der seine Wangen in einem ähnlichen Muster bemalte.
    Willon bot ein paar neue Waren an, aber das meiste war gebraucht. In der hinteren Ecke einer von etlichen Nischen fand sie Kisten mit alten, aber immer noch brauchbaren Stiefeln und Schuhen.
    Sie holte die Schnur heraus, die sie geknotet hatte, und begann, die Stiefel mit ihrer Hilfe zu vermessen. Tief unten in der zweiten Kiste fand sie ein Paar aus dünnerem Leder, als sonst für Arbeitsstiefel verwendet wurde. Die Sohlen waren dazu gedacht, meilenweit auf Straßen oder Waldwegen unterwegs zu sein, statt durch den Matsch eines Feldes zu stapfen. Seraphs Finger verharrten an den Zierstichen am oberen Rand, und sie zögerte, als sie am rechten Stiefel Blutflecke sah - obwohl sich jemand große Mühe gegeben hatte, sie abzuwischen. Die Stiefel eines Reisenden.

    Sie verglich sie nicht mit den Füßen ihres Sohnes, sondern legte das Paar einfach zurück in die Kiste und schob ein Dutzend andere darüber, als könne sie es leichter vergessen, wenn sie es verdeckte. In der dritten Kiste fand sie schließlich ein Paar feste Stiefel in der gesuchten Größe.
    Ich hätte nichts tun können, sagte sie sich. Ich bin keine Reisende, und ich war schon seit Jahren keine mehr.
    Dennoch spürte sie das Ziehen von Schuldgefühlen, die sie von etwas anderem zu überzeugen und ihr zu sagen versuchten, dass sie nie in Tiers kleines Dorf gehört hatte, sondern in die Welt, wo sie jene schützen sollte, die sich nicht selbst schützen konnten.
    »Ich kann diese Dinger nicht loswerden«, hörte sie Willon zu dem Fremden an der vorderen Theke sagen, der, wenn man nach der Farbe seines Gepäcks ging, wohl ein Hausierer war. »Die Leute hier regen sich schon über Schriften auf, die sie nicht lesen können. Sie wissen, dass man Magie fürchten sollte, und selbst ein Dummkopf würde bemerken, dass es an diesen Dingen Reisendenzeichen gibt.«
    »Ich habe sie von einem Mann in Korhadan gekauft. Er behauptete, sie selbst gesammelt zu haben«, sagte der Hausierer. »Ich habe ihm zwei Silberstücke gegeben. Und dann musste ich sie bis hierher tragen. Ich werde sie für zehn Kupferstücke verkaufen, die ganze Tasche, denn ich habe einfach genug von ihnen. Ihr seid der achte Kaufmann in ebenso vielen Dörfern, der mir das Gleiche sagt, und dieses Zeug nimmt nur Platz in meinem Gepäck weg, den ich für etwas anderes brauche. Ihr könntet sie doch sicher zu etwas Nützlichem einschmelzen.«
    Auf der Theke lag eine Reihe von Gegenständen, die wie metallene Federn aussahen. Ein Ende war ein paar Zoll lang zugeschliffen, beinahe wie ein Dolch, aber das andere war dekorativ und filigran wie Spitze. Einige waren kurz, die meisten jedoch mindestens so lang wie Seraphs Unterarm, und eine
beinahe doppelt so lang. Es mussten beinahe hundert von ihnen sein - Mermori .
    »Mein Sohn kann Metall bearbeiten«, sagte Seraph über das Anschwellen von Trauer hinweg, die ihr fast die Kehle zuschnürte. Es waren so viele. »Er könnte Hufeisen daraus machen. Ich gebe Euch sechs Kupfer.«
    »Gemacht!«, rief der Mann, bevor Willon ein weiteres Wort sagen konnte. Er steckte die Gegenstände in einen abgewetzten Lederbeutel, reichte ihn Seraph und nahm dann die Münzen, die sie ihm gab.
    Schnell griff er nach seinem Gepäck und trug es weg, als hätte er Angst, dass sie von dem Geschäft wieder zurücktreten könne, wenn er noch länger wartete.
    Willon schüttelte den Kopf. »Das hättet Ihr nicht tun sollen, Seraph Tieragansweib. Waren, die von Banditen und Mördern zusammengerafft wurden, wie es wahrscheinlich bei diesen hier geschah, bringen nur Unglück.«
    Willon, der geborene Kaufmann, hätte eher etwas dagegen haben sollen, dass Seraph direkt bei dem Hausierer gekauft hatte und nicht teurer von ihm - aber so etwas geschah eben, wenn es um Mermori ging.
    »Die Zauber von Reisenden tun Leuten mit Reisendenblut nicht weh«, sagte sie leise, sodass andere im Laden es nicht hören konnten.
    Willon wirkte einen Moment lang verdutzt. »Ah. Ja, das hätte ich beinahe vergessen.«
    »Ihr glaubt also, dass diese Gegenstände gestohlen wurden?«, fragte sie.
    »Meine Söhne sagen mir, dass man in diesen Fällen nicht mehr von Diebstahl spricht.« Willon schüttelte missbilligend den Kopf.

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