Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Blick zu dem toten Mann, der ihn nun beinahe ein halbes Jahr heimgesucht
und niemals so sehr erschreckt hatte wie dieses Ding - nein, sagten seine Augen. Lehr hatte recht, es gab mehr als nur eins von ihnen. Dinge also.
    »Geht nach drinnen«, flüsterte das Memento. »Sie kommen, und ich habe keine Macht über die Toten. Sie werden im Austausch dafür, dass sie euch am Leben lassen, ein Geschenk verlangen.«
    »Was für ein Geschenk?«, fragte Phoran. Aber das Memento hielt diese Antwort offenbar für ausreichend, denn nun schwieg es.
    Phoran, der immer noch Lehrs Arm hielt, zog sich ein wenig wacklig auf die Beine. »Ich hoffe, deine Mutter kennt sich mit den Toten aus«, sagte er.
    »Ich kenne mich mit Raubtieren aus«, erwiderte Lehr. »Dreht Euch nicht um, bis wir die Tür erreicht haben. Und beeilt Euch nicht.«
    Quälend langsam legten sie die paar Schritte zur Bibliothekstür zurück. Lehr öffnete die Tür, und Phoran warf den sich versammelnden Wesen einen letzten Blick zu, die langsam mit den Schatten der Gebäude verschwammen, als das Zwielicht verging und die Dunkelheit die Herrschaft über die Straßen von Colossae übernahm. Dann war er im Haus, und die schwere Holztür schloss sich zwischen ihnen und was immer sie jagte.
    Zum ersten Mal fand Phoran die Bibliothek regelrecht gemütlich: Das sanfte Leuchten der magischen Lichter, die unauffällig hinter Schnitzereien in der Decke und den Wänden befestigt waren, gab ihm das Gefühl, sicher vor der Dunkelheit zu sein.
     
    Seraph hörte vor lauter Stimmen nicht, wie die Tür auf- und wieder zuging, aber sie sah, wie Jes sich aufrichtete und zur Treppe hinschaute.

    »Lehr, Phoran und Gura«, sagte er. »Sie riechen nach Angst und Blut.«
    Seine Stimme war laut genug, dass Hinnum und Hennea ihre leise Auseinandersetzung abbrachen - eine Auseinandersetzung so voller unausgesprochener Schuldgefühle und Zorn, dass Jes gezwungen gewesen war, Hennea allein zu lassen und sich ein Stück von allen entfernt einen Platz zu suchen.
    Phoran kam die Treppe hinauf und hielt dabei seinen linken Arm, als sei er verletzt. Lehr und Gura folgten ihm auf dem Fuß. Der Hund hatte sein Rückenfell gesträubt und blickte immer wieder hinter sich.
    »Es ist Nacht«, sagte Phoran. »Die Toten wandeln auf den Straßen. Und ich hoffe, das ist nicht so schlimm, wie ich denke, dass es sein könnte.«
    »Magie hat keinen Zugriff auf die Toten«, sagte Hennea sofort, aber es lag keine Panik in ihrer Stimme. »Hinnum, können sie hereinkommen?«
    »Sie haben mich nie zuvor belästigt«, sagte Hinnum. »Aber euch werden sie folgen. Die Tür kann sie eine Weile aufhalten, aber nicht lange, wenn sie Blut gewittert haben. Magie funktioniert allerdings zumindest in geringem Maß gegen sie, ganz gleich, was die Geschichten sagen. Seraph, du wirst wissen, was ich meine, wenn ich sage, dass sie Geschöpfe des Geistes sind.«
    Das tat sie. Es bedeutete, dass es schwierig werden würde, aber wenn es dem Schatten gelang, seine Magie in Geist zu hüllen, dann konnte sie ebenfalls etwas tun. Solange es nicht zu viele von ihnen waren.
    »Selbstverständlich«, sagte Hennea erschüttert. »Es tut mir leid. Ich hatte es vergessen. Wie am Berg der Namen. Es ist so schwer, sich an alles zu erinnern. Jes, komm wieder aus dem Treppenhaus.«

    »Es gibt Schutzzauber, die sie aus der Bibliothek fernhalten können«, sagte Hinnum. »Aber die habe ich nicht mehr benutzt, seit euer Willon gegangen ist, und ich kann sie in meiner derzeitigen Gestalt nicht aktivieren. Ich selbst brauchte sie nicht; die Toten wollen Fleisch und Blut, und in meiner derzeitigen Form habe ich nichts, was sie reizen könnte.«
    »Was passiert, wenn sie uns finden?«, fragte Ielian. Er war aufgestanden und hatte sein Schwert gelockert. Stahl mochte gegen einige magische Geschöpfe helfen, aber gegen die Toten würde er nichts nützen.
    »Es ist nicht gut, wenn Tote die Lebenden berühren«, sagte Seraph, und das war auch schon alles, was sie wusste. Ihr alter Lehrer hatte sich mehr Gedanken wegen Nebelmahren, Wasserdämonen und dergleichen gemacht.
    »Es gibt nur wenige Gespenster in Colossae«, sagte Hinnum. »Aber sie sind überwiegend harmlos und bleiben in der Nähe ihrer Häuser. Ich weiß nicht, wie man sie nennen soll - Nekromantie hat mich nie interessiert.«
    »Ich kann mich auch nicht an viel erinnern«, sagte Hennea.
    »Sie haben alle Zauberer umgebracht, die hergekommen sind, um bei mir zu bleiben, nachdem die Stadt

Weitere Kostenlose Bücher