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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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fragte sich, wo ihre Leute sein mochten, ob sie tot waren oder sie irgendwo erwarteten.
    Die Sonne im Rücken, kehrte Jes langsam wieder zurück und ließ den Hüter schlafen. Seine Last störte ihn nicht mehr, und er ging mit ihr rasch auf den Hof zu. Mutter würde wissen, was sie mit ihr tun sollte.
    Sie hatten schon beinahe den Waldrand erreicht, als die Frau erstarrte. Er schaute nach unten und sah, dass sie seinen Blick erwiderte. Er lächelte in helle Augen, die zu ihrem Haar
passten, ging einfach weiter und ignorierte ihre Versuche, sich zu befreien. Wenn sie zu Fuß ging, würde es schwieriger sein, sie nach Hause zu bringen, wo sie sicher vor dem Waldkönig wäre.
    Als sie sich nicht befreien konnte, begann sie hektisch, Fragen zu stellen, die durch Jes’ Ohren liefen wie Regen - erst in Worten, die er verstanden hätte, wenn er sich genug Mühe gegeben hätte, dann in der flüssigen Silberzunge, die seine Mutter manchmal sprach, wenn sie sehr zornig oder sehr traurig war.
    »Still«, sagte er, schüttelte den Kopf und summte das Lied, mit dem seine Mutter Rinnie immer in den Schlaf gesungen hatte, als sie noch ein unruhiges Kleinkind gewesen war.
    Sie lauschte seinem Lied, dann sagte sie langsam: »Wer bist du?«
    »Jes«, sagte er.
    Sie starrte ihn an. »Ich kann selbst laufen.«
    Er zögerte. »Du wirst mit mir kommen müssen.«
    »Ich werde mit dir kommen - aber lass mich runter.«
    Also setzte er sie ab, behielt ihre Hand aber in seiner, weil ihm gefiel, wie sie sich anfühlte. Sie hatte sich abgeschottet, also spürte er nicht das ärgerliche Summen ihrer Gedanken, nur die Wärme ihrer Haut. Seine Mutter konnte so etwas ebenfalls tun.
    »Du siehst nicht aus wie ein Reisender«, sagte sie beinahe zu sich selbst.
    »Mutter ist eine Reisende«, erwiderte er. »Papa ist Rederni.«
    »Was ist mit mir passiert?«
    Aber er hatte schon alles gesagt, was er preisgeben wollte. Es war einfach zu kompliziert, und er konnte schließlich nicht alles erklären. Er schüttelte den Kopf und ging weiter in Richtung des Hofs.
    Das Feld, das sie gepflügt hatten, war leer, die Pflugschar aus dem Boden gehoben und gesäubert, damit sie nicht rostete.
Wenn es nach Regen ausgesehen hätte, hätte Lehr den Pflug in die Scheune gebracht.
    Mit einem Blick zum Himmel maß Jes die Zeit, die er im Wald verbracht hatte. Wie immer war es länger gewesen, als er gedacht hätte, aber nicht so lang, dass Lehr mit Pflügen hätte fertig sein sollen. Etwas musste mit Scheck passiert sein.
    Er wurde schneller, verlangsamte sein Tempo aber wieder, als die Frau neben ihm ins Stolpern geriet. Sie konnte sich auf gepflügtem Boden nicht gut bewegen. Also drehte er sich um, hob sie hoch und trug sie über das Feld. Dann erinnerte er sich jedoch an ihre vorherige Bitte, setzte sie auf der anderen Seite wieder ab und ging weiter entschlossen auf die Scheune zu.
    Lehr trug gerade einen schweren, dampfenden Eimer zur Scheune und bemerkte die beiden nicht, bis Jes seinen Namen rief.
    Lehr blieb stehen und setzte den Eimer ab. »Jes? Ich dachte, du suchtest nach einem Kind.«
    Jes runzelte die Stirn. »Ich habe sie im Wald gefunden«, sagte er, weil das irgendwie zu Lehrs Frage zu passen schien. »Stimmt etwas nicht mit Scheck?«
    »Nein, nein.« Sein Bruder versuchte automatisch, ihn zu beruhigen, starrte dabei aber die Frau an. »Es geht ihm gut. Aber er war so müde, dass ich dachte, ich sollte lieber aufhören. Ich bringe ihm ein bisschen heißen Kleiebrei, und Rinnie reibt ihn trocken, damit er morgen nicht so steif ist.« Er runzelte die Stirn. »Jes, wer ist das?«
    Jes starrte zurück, obwohl er wusste, dass sein Stirnrunzeln nicht so beeindruckend war wie das von Lehr. »Das ist diejenige, wegen der man mich geholt hat«, sagte Jes.
    Lehr lächelte plötzlich und schüttelte den Kopf. »Schon gut, Jes. Guten Tag, meine Dame. Ich bin Lehr Tieraganssohn. Ihr habt meinen Bruder Jes ja bereits kennengelernt.«

    Die Fremde, die Jes mitgebracht hatte, zupfte sanft an Jes’ Hand, und er ließ sie los.
    »Man nennt mich Hennea«, sagte sie. »Ich suche nach einer Reisenden namens Seraph.«
    »Sie ist zu der Stelle gegangen, wo Vater umgebracht wurde«, sagte Jes, weil sich der Hüter daran erinnerte, wie wichtig das war. »Der Waldkönig folgte ihr und hielt sie dann für uns fest. Er dachte, sie sei auf dem Weg hierher, was ihn nicht stört.«
    »Warum hat er dich dann geholt?«, fragte Lehr, und Hennea blickte auf, als wüsste sie das auch

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