Rabenzauber
ich in der Lage war, es umzukehren, könnte ich das auch später tun - nachdem ich entdeckt hatte, was sie planten.«
»Also hast du gewartet«, sagte Seraph.
Hennea nickte. »Ich wartete etwa ein Jahr und versuchte, so viel wie möglich zu erfahren. In Taela verbarg man uns im Palast des Kaisers. Die Zauberer beherrschen eine Gruppe von Solsenti , die sich der Geheime Pfad der fünf Götter nennt. Ich sah nur die Zauberer, und das sind verhältnismäßig wenige, aber es gibt offenbar noch viele andere, alles Männer von Einfluss, wie Adlige und hochrangige Kaufleute.«
»Volis’ Glaube scheint echt zu sein«, sagte Seraph. »Es sah sogar nach Besessenheit aus. Er kommt mir nicht vor wie ein Mann, der politische Macht sucht.«
Hennea nickte. »Oh, sie nehmen sich sehr ernst, auch diese Religion, die jemand vor ein paar Jahrhunderten ausgeheckt hat, um gelangweilte junge Adlige dazu zu bewegen, sich dieser Gruppe anzuschließen. Kannst du dir etwas vorstellen, was ein junger Mann lieber tun würde, als seine Familie zu
schockieren? Zu beten wie ein Reisender ist noch schlimmer als das.«
»Reisende beten keine Götter an«, sagte Rinnie, die bis dahin Scheck gebürstet hatte.
»Nein«, stimmte Hennea ihr zu. »Volis will das jedoch nicht glauben. Wir Reisende wahren unsere Geheimnisse, aber er denkt, dass er sie kennt. Er mag es, wenn ich ihm seine eigenen Theorien wiedergebe. Ich glaube nicht, dass er weiß, wie dieses Geas wirklich funktioniert. Er dachte, die Bindung würde« - sie warf einen Blick über die Schulter zu Rinnie und lächelte Seraph ironisch zu - »uns zu Freunden machen. Aber er neigt überhaupt dazu, auf Lügen hereinzufallen. Eines Nachts, als wir noch in Taela waren, kam er ein wenig angetrunken zurück - etwas, das ziemlich selten vorkam. Bei diesem Anlass trug er einen grob gearbeiteten Ring aus Silber und Rosenquarz und stank nach besudelter Magie.« Sie setzte sich abrupt auf die kleine Bank, die Rinnie zum Aufsteigen benutzte.
»Raben wird manchmal ein solcher Ring gegeben, um ihre Weisung kennenzulernen«, flüsterte sie. »Irgendwie hatten sie Moselms Weisung gestohlen und in den Ring projiziert. Volis war betrunken, weil sie Moselms Tod gefeiert hatten, und er machte sich Sorgen, weil es nicht so gelaufen war, wie sie es geplant hatten. Es sieht so aus, als wäre es sehr schwierig, eine Weisung einzufangen, nachdem man sie einem Reisenden abgenommen hat, und manchmal funktioniert es auch überhaupt nicht.«
»Sie haben was getan?«, fragte Seraph entsetzt.
»Sie haben ihn getötet und die Macht seiner Weisung im Stein gefangen«, erwiderte Hennea mit der typischen Ruhe eines Raben. »Ihr Bann entreißt einem Reisenden die Weisung langsam und im Verlauf von Monaten. Viele der so entstehenden Steine sind nutzlos, aber diejenigen, die funktionieren,
kann man in einem Ring oder einer Halskette tragen. Mit ihrer Hilfe werden die Solsenti -Zauberer Raben, Falken oder Kormorane, wann sie wollen.«
Angst schnürte Seraph die Kehle zu. Es ging wieder los - als wären die Mermori nur die Vorboten gewesen. Tier war tot, und nun würde Seraph gezwungen sein zu leben wie vor ihrer Begegnung.
»Ich weiß nicht, was ich tun kann, um dir zu helfen«, sagte sie schließlich, denn am Ende blieb ihr wohl keine Wahl. »Ich kann eine Nachricht zu den Clans bringen, aber ich weiß nicht, wo sich zurzeit welche aufhalten. Ich werde dir helfen, so gut ich kann.«
»Du verstehst mich falsch«, sagte Hennea. »Ich bin gekommen, um dir zu helfen.«
6
» D u willst mir helfen?«, fragte Seraph. »Womit?«
Hennea lächelte finster. »Euer neuer Sept hat ein ziemlich umfangreiches Gefolge.«
»Darunter auch du und Volis«, sagte Seraph. »Ist der Sept auch einer von diesen … wie hast du sie genannt? Es war etwas Dummes … Geheimer Pfad?«
»Der Sept?«, fragte sie. »Nein, er nicht. Das nehme ich jedenfalls an. Er ist ein charismatischer Mann, der beste, wenn nicht der einzige Freund des Kaisers, und er kennt sich aus, was politische Spielchen angeht. Niemand ist überrascht über die Anzahl der Leute, die ihm folgen. Volis sagt, jemand hat ein paar Schulden eingetrieben und einen Gefallen oder zwei angeboten, und der Sept stimmte zu, hier einen Tempel der Fünf Götter zu bauen.«
Hennea stand auf und ging unruhig auf und ab. »Der Geheime Pfad beschloss, die Religion öffentlich zu machen. Sie sagen den Leuten selbstverständlich nicht, dass sie ihre fünf Götter von den Weisungen der
Weitere Kostenlose Bücher