Rabenzauber
als die des Schattens.
Das hier war kein besudelter Ort. Aber wenn ein Magier versuchte, hier eine Falle zu stellen, würde die Magie von dem gleichen Etwas verschlungen werden, das die ihre verschlungen hatte.
»Mutter?«, fragte Lehr und blieb stehen, um sie anzusehen.
»Etwas wartet hier«, sagte sie. »Aber es hat nichts mit den Toden vor kurzer Zeit zu tun. Wenn niemand es weckt, wird es wahrscheinlich hier liegen, bis deine Enkel zu Staub zerfallen sind.«
»Was ist mit der Decke?«
Seraph schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich brauche den Schädel. Ich werde feststellen können, ob es der von Tier ist.«
Seine Schaufel zögerte, dann begann er die Suche erneut und erweiterte den geräumten Bereich rings um das Pferd.
Seraph wischte sich zerstreut die Erde von den Fingerspitzen und sah zu, wie Lehr schließlich nahe den Halsknochen des Pferdes einen vom Feuer geschwärzten Menschenschädel ausgrub.
Vorsichtig nahm er den Schädel in die Hand und reichte ihn ihr. Seraph starrte die breite Stirn an und suchte nach einer Spur vertrauter Züge. Waren Tiers Schneidezähne so rechteckig gewesen? Sie hätte es nicht zu sagen vermocht. Es gab keinen Unterkiefer, der den Schädel ins Gleichgewicht gebracht hätte.
Wie sie Lehr schon gesagt hatte, benutzten Raben keine Nekromantie - aber sie zögerte eher aus Vorsicht denn aus Unfähigkeit. Magie bei Toten einzusetzen war keine Kleinigkeit. Wenn ihre Not nicht so groß gewesen wäre, hätte sie es nicht getan.
Ihre Finger sagten ihr nichts; die Knochen hätten beinahe ein Stein in einem Feld sein können, der nie eine Menschenhand gespürt hatte, so wenig von seiner Vergangenheit war geblieben.
Sie setzte ihn ab und berührte Frosts Schädel. Nichts. Jemand hatte diese Knochen bewusst gereinigt, wie sie schon das Zaumzeug und die Satteldecke gereinigt hatten. Keine zu einem anderen Zweck ausgeübte Magie konnte nebenbei einem Knochen die Erinnerung an sein Leben entreißen.
Sie griff wieder nach dem Menschenschädel und leitete mehr Magie hinein. Ein Zaumzeug und eine Satteldecke konnten von dem Leben gereinigt werden, das sie gestreift hatte, aber nicht einmal mächtige Magie konnte ein ganzes Leben wegwischen. Es musste noch Spuren davon geben, wenn sie sich nur genug anstrengte.
Unter ihren Fingern fühlte sie eine zögernde Reaktion. Sie drückte den kühlen Knochen an ihre Stirn und ließ ihn lange Zeit dort, während sie versuchte, seinen schwachen Erfahrungspuls zu berühren.
Die Sonne ging unter, als sie den Schädel vorsichtig neben den von Frost legte.
»Dieser Mann war nicht Tier«, flüsterte sie trotz des pochenden
Schmerzes in ihren Schläfen. »Er war ein Reisender und starb an einer Klingenwunde, nicht an magischem Feuer - und er starb weit von hier entfernt, wenn auch erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit.«
»Das bedeutet noch nicht, dass Papa lebt«, sagte Lehr, offenbar in der Hoffnung, dass sie ihm widersprechen würde. »Jemand hat Frosts Leiche und den Schädel dazu benutzt, um uns zu überzeugen, er sei tot - aber vielleicht haben sie seine Leiche einfach woanders hingebracht oder ihn mitgenommen, um ihn an einem anderen Ort umzubringen.«
»Ja, es bedeutet nur, dass Tier wahrscheinlich nicht hier gestorben ist«, stimmte sie zu, Furcht und Hoffnung gut beherrscht.
Lehr begann, das Grab wieder zuzuschaufeln, Schädel und alles, und Seraph dachte über das nach, was sie nun wusste.
»Lehr?«, sagte sie dann entschlossen.
»Hm?«
»Die Leute, die Frost getötet haben, haben sich große Mühe gegeben, ihre Spuren zu verbergen. Sie waren nicht gut genug, um dich zu täuschen, aber sie haben sich sehr angestrengt. Hättest du sie auch bemerkt, wenn du ihre Spuren nicht schon weiter unten gesehen hättest? Wenn wir nur nach Tiers Überresten gesucht hätten und nicht nach Beweisen dafür, dass man ihn verschleppt hat?«
Er runzelte die Stirn. »Vielleicht nicht.«
Seraph nickte. »Ich denke, sie wussten von dir. Sie haben darauf geachtet, Tier außerhalb vom Reich des Waldkönigs zu überfallen - ich glaube, sie wussten auch von ihm. Sie haben Frosts Leiche, das Leder und das Tuch gereinigt und keine Vergangenheit hinterlassen, die ich lesen konnte. Dann haben sie viel Zeit darauf verwendet, auch den Schädel zum Schweigen zu bringen - und das wäre ihnen beinahe gelungen.«
»Niemand weiß vom Waldkönig«, sagte Lehr und schaufelte
einen letzten Rest Erde auf das neue Grab. »Aber Hennea sagte, wer immer diesen Brief an den
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