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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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zeichnet als Motek.
Er nennt sie Dschindschi. Wie viele in Osterreich kannten damals hebräische
Begriffe? Er will sie in der Seilerstätte treffen.«
    »Na und?«
    »Du weißt es. Dort hatte Felix
sein Büro.«
    »Das beweist nichts. Mein
Vater hätte sein Kind nie im Stich gelassen. Nie! Er ist kein Feigling.«
    »Er wußte nichts von mir. Das
ist es ja. Er hatte keine Ahnung. Das war ihre Rache an ihm.«
    Sie kamen zum Taxistandplatz.
Rudi fragte: »Sollen wir gemeinsam fahren?«
    Ethan stieg in den ersten
Wagen und fuhr davon.
     
    Avi Levy hatte in der Bäckerei
gestanden, das Mehl gestreichelt, den Teig geknetet, darüber geschwitzt und gestöhnt,
die Bälge in den Ofen geschupft, die Schaufel wie ein Ruder geschwungen, den
Brotlaib bestäubt, ein Lied gesummt, und all das voller Leidenschaft, als ginge
es ihm nur ums eine, und die Kundinnen konnten ihm vom Vorraum aus zuschauen,
wenn er sich mit muskulösem Oberkörper und im ärmellosen Unterhemd in die
Arbeit kniete, das Feuer anfachte, bis die Funken sprühten, und die Masse
walkte und massierte.
    Ob Wecken oder Fladen, ob
Semmel oder Pita, jedes Stück, so Saba Avi, der Großvater, zu Noa, schmecke ein
wenig nach ihm, und im Vertrauen erzählte er, wie wichtig es für einen Bäcker
sei, gut zu riechen. Sie hatte als Mädchen gesehen, wie der Großvater seine
Kundinnen empfangen hatte, wie er sie umsorgt und ihnen nachgeblickt hatte.
Avi Levy war ein Meister, wenn es ums Einheizen und Anbraten ging, und er war
Feuer und Flamme für all die Damen, die ihn besuchten.
    Noa erinnerte sich. Sie sah
den Großvater in der Backstube, sah, wie Frau Efron am Brot roch, und hörte
sie sagen: »Wie das duftet«, und dabei blickte sie dem Großvater tief in die
Augen, bis er sie anlächelte, und die Ventilatoren im Laden wirbelten um
einiges schneller, und die Luft war so aufgeladen, daß die kleine Noa den Atem
angehalten hatte, und der Atem stockte ihr heute noch, wenn sie daran dachte.
    Ihre Eltern waren geschieden.
Sie lebten in neuen Beziehungen. Wieso traute Ethan dem eigenen Vater keinen
Seitensprung zu? Warum wollte er nichts davon wissen? So viele Rosens gab es
doch nicht mehr. Er hatte ihr ein Album gezeigt. Das kleine aschkenasische
Grüppchen aus Tanten und Cousinen. Er sei als Bub von diesen jiddischen Mames
in die Wangen gekniffen worden. Der typische Zwickparcours. Das waren die
Streicheleinheiten gewesen, die ihm als Kind zuteil geworden waren, denn die
übergroße Liebe hatte keine milden Gaben zugelassen. Die Innigkeit war
schonungslos. Warum sie nicht ein wenig mit Rudi Klausinger teilen? Wäre ein
Halbbruder aus Favoriten nicht eine Bereicherung? Könnte so einer nicht helfen,
die Familienbande ein wenig zu lockern?
    Unentwegt hatte sich Ethan
über die Enge in seiner Sippschaft beklagt. Und jetzt endlich kommt eine Wiener
Mischkulanz daher, sprengt diese jüdische Version der Heiligen Dreifaltigkeit,
stellt sich zwischen ihn, Dina und Felix, ist das Corpus delicti eines
Ehebruchs, zwingt den treuen Ehemann zum Geständnis, und wie reagiert der
anerkannte Kulturforscher, der Experte für die Dekonstruktion aller Mythen, der
Meister aller geisteswissenschaftlichen Relativitätstheorien? Was macht der
große Tabubrecher? Er verkündet, sein Abba, sein Vati, könne unmöglich eine
Affäre gehabt haben. Selbst wenn der es zugibt.
    Sie lagen im Bett. Umm Kulthum
schluchzte ein Lied. Geigenmusik, die Kapriolen schlug. Er küßte sie, da läutete
das Telefon.
    Er möge sich die Briefe doch
wenigstens anschauen, schlug Rudi vor. Ethan solle selber entscheiden.
Vielleicht erkenne er die Handschrift. Sei er denn an der Wahrheit überhaupt
nicht interessiert?
    Ethan sagte: »Was beweisen
schon solche Briefe? Selbst wenn sie einander liebten. War Felix Rosen der
einzige Mann in ihrem Leben?«
    »Hast du etwa Angst, sie dir
anzuschauen? Fürchtest du, zugeben zu müssen, daß Felix sie schrieb?«
    Er sah Noa ins Badezimmer
verschwinden. Tschuptschik, der Kater, sprang vom Kleiderschrank und rannte ihr
hinterher.
    Sie einigten sich auf ein
Lokal in der Shenkin.
    Eine Stunde später saßen sie
zu dritt vor dem Cafe. Noa war von der Ähnlichkeit der beiden überrascht. Rudi
war eine südlichere, eine im landläufigen Sinne gefälligere Ausgabe von Ethan.
Die Kellnerin, eine zierliche Person mit Dreadlocks unterm Turban, brachte die
Getränke. Vorsichtig gruppierte sie alles um die Briefe und Dokumente herum.
Einen Cappuccino für Ethan, Campari Soda für Noa und

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