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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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Professor
Rosen, wenn ich Sie behellige, aber ich muß Ihnen ein Geheimnis verraten.«
    »Müssen Sie?«
    »Wenn ich es Ihnen doch sage.
Sie können mir helfen und nicht nur mir, sondern allen Juden, ja, der gesamten
Menschheit.«
    »Ich fürchte, Rav, Sie sind
falsch verbunden. Ich gebe nichts.«
    »Wer redet von Geld? Im
Gegenteil. Es geht um eine Hinterlassenschaft.«
    »Ein Erbe?«
    »Eher ein Vermächtnis.«
    »Die Tradition? Sie wollen
mich zum Glauben zurückholen?«
    »Werter Herr Professor, ich
habe gehört, daß ich bei Ihnen keine Chance habe. Sie haben heute keine
Tefiilin gelegt, gestern nicht und werden sich morgen keine umbinden. Und
wissen Sie was? Ich weiß sogar, warum.«
    Und ehe die nächsten Worte
sein Ohr erreichten, sah Ethan den fetten Hintern vor sich, erinnerte er sich
an das Wippen im Flugzeug, dachte er an den Orthodoxen, der sich ins Gebet
geworfen hatte, hin und her, als gelte es, das Flugzeug zum Absturz zu bringen,
und da hörte er den Geistlichen sagen: »Sie stehen nicht auf Leder!«
    »Sind Sie der Fromme, der im
Flieger neben mir saß?«
    »Nein. Ich sagte doch, ich bin
Rav Berkowitsch.«
    Im selben Moment begriff
Ethan, mit wem er es zu tun hatte, und er erinnerte sich, über diesen Rabbiner
Berkowitsch in der Zeitung gelesen zu haben. Eine geistige Autorität. Ein
ultraorthodoxer Führer, der im Hintergrund der religiösen Fraktionen agierte.
    »Der Chassid, der damals mit
Ihnen flog, arbeitet für mich. Ich habe, Herr Professor, Erkundigungen über Sie
eingezogen. Es ist eine sehr wichtige Angelegenheit, derentwegen ich Sie
sprechen muß. Es geht um Ihre Familie. Um Ihre Verwandtschaft. Ich kann Ihnen
ein Geheimnis verraten, von dem niemand weiß und das Ihre Vorfahren und auch
Sie betrifft.«
    »Ein Geheimnis?«
    »Mehr noch, ein Rätsel, das
nicht einmal Ihre Eltern kennen.«
    »Was haben denn meine Mutter
und mein Vater damit zu tun? Können Sie die beiden nicht aus dem Spiel lassen?«
    »Wenn ich doch sag: Wir
sollten einander sehen«, erklärte der Rabbiner, und Ethan war gar nicht mehr
überrascht, als der Geistliche den Haupteingang jenes Krankenhauses, in dem
er sich gerade befand, als Treffpunkt vorschlug. Sie vereinbarten, einander in
einer Woche dort zu sprechen.
     
    Im Zimmer des Vaters ein
Aufruhr. Die Familie am Krankenbett. Ein Gedränge. Ethans Onkel Jossef, der
Bruder von Dina. Hinter ihm Rachel, seine Frau, die ihren Mann beiseite schob
und aufjauchzte, als stünde sie nicht vor einem Leidenden, als gebe es hier
keine Patienten, niemand, der Ruhe brauchte, keine verzweifelten oder
trauernden Angehörigen. Sie schrie: »Du hier? Er ist hier, Jossef, da ist
Ethan! Er ist hier! Du hast gar nicht gesagt, daß du hier bist! Jossef, hast du
gewußt, daß Ethan hier ist? Seit wann bist du im Eretz?« Sie schlug die Hände
zusammen. »Warum meldest du dich nicht, Ethan? Jossef, was sagst du? Hat er
dich angerufen? Findet er es notwendig, seine Familie zu besuchen? Kümmert er
sich, ob wir noch leben?« Aber sogleich zwickte sie ihn in die Wange und begann
zu säuseln: »Nu, mein Süssinker, wann kommst du deinen Onkel Jossef und deine
Tante Rachel besuchen?« Er versuchte sich von ihr zu befreien, lächelte dabei
und drehte sich ein wenig zur Seite. Jossef war Stadtbeamter in Tel Aviv
gewesen, Rachel hatte im Einwanderungsministerium gearbeitet. Sie umarmte
Ethan, jede ihrer Bewegungen wurde von einem Ächzen begleitet, jede Geste war
ein Vorwurf. Vor dem Fenster eine entfernte Verwandte seiner Mutter, Jaffa, in
deren Nähe Ethan als Jugendlicher immer errötet war. Eine blond gesträhnte
Erscheinung mit immer noch jugendlichem Körper und allzu straffem Gesicht.
Die Backen mochten hinter den Ohren festgezurrt worden sein. Sie drückte Ethan,
kniff seine Wangen und quietschte dabei wie eine Gummiente. Nimrod, ihr Mann,
ein Riese, das Gesicht eine Maske aus sonnengegerbter Gleichmut, ein
verdorrter Feschak, Reeder und Besitzer einer großen Schiffswerft, grüßte mit
einem Nicken, ohne zu lächeln, und brummte im Baß. Eine Stimme aus dem
Eichenfaß.
    In der Ecke lehnte der Enkel
einer Großtante mütterlicherseits. Schmuel, ein Rotschopf voller
Sommersprossen, hatte seinen Militärdienst als Sanitäter in den besetzten
Gebieten absolviert. Hier geriet er mit Offizieren in Konflikt, als er bei
Übergriffen auf Palästinenser dazwischenging. Nach der Armee hatte er, wie so
viele, ein Jahr in Indien verbracht. Dort wollte er seine Ängste loswerden;
einige Rauchwaren und

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