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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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befand.
Studenten grüßten ihn, und als er ins Sekretariat kam, fragte ihn eine junge
Assistentin nach der Professur in Wien. Sie wunderte sich, daß er die Stelle
ausschlagen wollte, um nach Tel Aviv zurückzukehren, schaute ihn an, als litte
er an einer unheilbaren Krankheit. Ein Dozent der deutschen Geschichte sprach
ihn an. Ob eine gemeinsame Lehrveranstaltung denkbar sei?
    Er klopfte bei Jael Steiner
an, die erst vor einem halben Jahr zur Vorsitzenden der Abteilung gewählt
worden war. Sie wollte gerade in die Mensa und bat ihn, sie zu begleiten.
    Er fehle sehr am Institut,
meinte sie, worauf Ethan sagte, da habe er gute Nachrichten. Er werde die
Stelle in Wien womöglich nicht antreten. Er würde dort allerdings mehr
verdienen und wolle deshalb über einen neuen Vertrag verhandeln.
    Sie lächelte müde.
    Überall konnte er auf mehr
hoffen, nur hier, gleichsam zu Hause, wurde ihm nicht zugestanden, was er
andernorts wert war. Ein Fremder mit ähnlichem Curriculum, sagte Ethan, würde
zweifellos besser eingestuft werden.
    Sie nickte und grüßte eine
Kollegin aus der Sinologie. Das Mittagsmenü könne sie heute durchaus empfehlen.
Ein Wokgericht, sagte sie noch, um übergangslos fortzusetzen, daß er selbst es
schließlich gewesen sei, der vor kurzem hier sein Büro zur Verfügung gestellt
habe. Dann nahm sie einen Schluck vom Kaffee, kramte Zigaretten hervor, steckte
sich eine in den Mund, zündete sie aber nicht an, da das Rauchen im Gebäude
verboten war. »In Wien wolltest du nicht als Fremder behandelt werden, und hier
meinst du, es wäre besser, einer zu sein?«
    Wer ihr von seinen Problemen
in Osterreich erzählt habe? Noch ehe er den Satz zu Ende gesprochen hatte,
ahnte er schon die Antwort, hörte im voraus, welcher Name gleich fallen würde.
    »Ein Kollege. Österreicher.
Rudi Klausinger, ich lernte ihn vor Jahren kennen. Auf einer Konferenz in Beer
Sheva. Er wird in diesem Semester hier lehren ... Was hast du, Ethan? Du
schaust plötzlich so komisch.«
     
    Er wählte Dovs Nummer. Der
Anrufbeantworter schaltete sich ein, und er hörte die Stimme von Dov Zedek.
»Dov Zedek. Das wird ein recht einseitiges Gespräch, aber ich rufe alle zurück,
die mir eine Nachricht hinterlassen.«
    »Hier spricht Ethan.
Katharina, ich versuche, dich zu erreichen. Wenn du das Band abhörst, melde
dich bitte. Meine Nummer lautet ...«
    In diesem Moment das Klicken
in der Leitung und dann Katharinas Stimme: »Ethan? Bist du im Land?«
    »Vater ist im Spital.«
    »Was? Felix? Ist es die Niere?«
    »Sie wissen es nicht.«
    »Kommst du vorbei, wenn du in
Jerusalem bist?«
    »Hast du in einer Stunde Zeit?«
    »Ich warte.«
    Er holte Vaters Auto aus der
Garage. Nach etwa vierzig Minuten hatte er die Serpentinen erreicht, die nach
Jerusalem hinaufführten. Dovs Wohnung lag in Machane Jehuda. Er kurvte durch
die Straßen, fand keinen Parkplatz. Endlich, dreißig Minuten zu spät, läutete
Ethan an der Tür. Katharina begrüßte ihn durch die Gegensprechanlage. Als sie
ihm öffnete, wunderte er sich, wie gut sie aussah. Nie war sie ihm schöner
erschienen. Sie lächelte ihn an. Erst als er nachfragte, wie es ihr denn gehe,
merkte er, wie sie in sich zusammensackte.
    »Es wird«, antwortete sie. Die
Zimmer waren unverändert. Vollgeräumt. Die Wände verschwanden hinter Regalen
und Einbaukästen. Überall stapelten sich Bücher und Zeitschriften. Dovs
Arbeitstisch schien unberührt. Auf dem Sofa lag noch das Buch, das er zuletzt
gelesen hatte. Aufgeschlagen.
    Ein Zimmer hatte er mit ganz
besonderen antiquarischen Ausgaben ausgestattet. Ethan betrat den Raum. Es
roch nach Holz und altem Papier, auch süßlich nach Leder und vielleicht ein
wenig nach Leim, aber das konnte Einbildung sein.
    »Komm, Ethan, ich zeig dir
meine Sammlung«, hatte Dov den Jugendlichen einst, vor drei Jahrzehnten, angelockt.
»Die Leute fragen einander immer: Wenn du auf eine einsame Insel fährst, was
würdest du mitnehmen? Hier, Ethan, das war es, was sie hierherbrachten, um sich
zu retten.« Es waren die Bücher früher Einwanderer, die Dov interessierten. Er
besaß mehrere Ausgaben der Freudschen Traumdeutung. Ethan erinnerte sich, wie Dov mit ihm vor dem Regal
stand, einen Band herauszog und sagte: »Hier. Schau. Die Traumdeutung. Die zweite vermehrte Auflage
von 1909. Eine wissenschaftliche Revolution, die noch als Buch erschien und
nicht in einer Zeitschrift.«
    Ethan war es, der Dov später,
zum achtzigsten Geburtstag, den Erstdruck besorgt hatte.

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