Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
Vom Netzwerk:
schlichten
Schwarzen, mit Mitra, Spitzkapuze oder Ballonhütchen, geschmückt mit Ringen, Broschen,
Medaillons, Amuletten, Steinen, Juwelen und Ketten, war Ethan wie eine Drag
Queen Show vorgekommen.
    Rabbiner Berkowitsch hörte
nicht auf zu reden. Was habe Ethan denn zu verlieren? Erscheine der Messias,
werden — das sollte Ethan doch ansprechen — auch die palästinensischen Leiden
überwunden sein und Juden und Araber in Frieden miteinander leben. Es würde
kein Arm geben und kein Reich. Von ihm werde nur verlangt, hier in dieser
Klinik die Abteilung für Genetik aufzusuchen, die an diesem Projekt arbeite.
»Ja, Herr Professor, glauben Sie mir. Die Unterstützung für mein Unternehmen
wächst.«
    »Aber Rav Berkowitsch, mit
künstlicher Befruchtung in einer Ehe hat das nichts zu tun. Sie wollen die Gene
manipulieren. Das ist ja Eugenik und nicht Gottvertrauen.«
    »Sehr richtig. Sie haben das
sehr gut verstanden, Herr Professor. Deswegen werde ich in letzter Zeit von
meinen früheren Freunden wie ein Abtrünniger behandelt. Aber wir haben keine
Wahl. Die Shoah zwingt uns zu diesen Methoden. Der Zug der Zeit ist nicht
aufzuhalten. Bedenken Sie doch, es geht um den Meschiach.«
    Er sah sich um und flüsterte:
»Ich finde immer mehr Unterstützung. Menschen auf der ganzen Welt. Juden in New
York. Protestanten aus Texas, die glauben, das messianische Kind sei die Rückkehr
von Jesus Christus. Sogar eine katholische Sekte.« Rabbiner Berkowitsch verzog
den Mund. »In den Kirchen liegen lauter Körperteile. Reliquien. Bereits im
Mittelalter florierte der Organhandel. Blutphiolen von Konstantinopel nach
Brügge. Nieren von Perugia nach London und von dort nach Paris. Herzen und
Hirne, Lebern und Lungen, Haarlocken, Hautschnipsel, Finger und Knochensplitter
wurden durch Europa transportiert. Die Dome sind heute noch Leichenschauhäuser.
Von manchen Heiligen scheint es so viele Zähne zu geben, daß sie über das Gebiß
eines Krokodils verfügt haben müßten. Von einigen Märtyrern existieren genug
Wirbel, um daraus den Hals einer Giraffe formen zu können. Meine katholischen
Sympathisanten sind ausgerechnet auf die Reste der Vorhaut des beschnittenen
Jesuskindleins spezialisiert. Sie sind ganz versessen darauf. Das Präputium
dieses jiddischen Säuglings ist ihre Sammlerleidenschaft. Ihre Passion! Von
dieser Vorhaut gab es einst viele Schnipsel. In einem italienischen Dorf,
Calcata, wurden bis vor kurzem noch Prozessionen damit abgehalten. Dem Vatikan
gefiel das gar nicht, und plötzlich war das Stück weg. Gestohlen. Stellen Sie
sich vor, wir würden mit dem Abfall der Brith Millah Festzüge veranstalten!
Das würde uns gerade noch fehlen. Heute gibt es nur noch wenige Exemplare der
Vorhaut. Früher hätten sie aus den vielen Spitzkeles einen Fallschirm nähen
können. Wie auch immer. Diese katholische Sekte nennt sich Zelle des Heilands,
denn sie hofft, aus reaktivierten Zellen der Vorhaut Jesus klonen zu können.
Sie sind aber auch an meinem Projekt interessiert. Sie hoffen, mein Meschiach
ist die Wiederkehr von ihrem Jesus.« Rabbi Berkowitsch lehnte sich zurück.
    Er brauche sich nicht sofort
zu entscheiden. Er solle überlegen, was er für seine Samenspende wolle. »Wir
sind bereit zu zahlen. Viel. Sehr viel! Aber es gibt auch andere
Möglichkeiten, Ihren Beitrag zu honorieren. Denken Sie nach. Wir erfüllen Ihnen
gerne Ihre Wünsche.« Rabbi Berkowitsch zog eine Visitenkarte aus der
Jackentasche. Ethan möge sich melden, sobald er einen Entschluß gefaßt habe.
     
    Noa lachte, als Ethan ihr von
Rabbi Berkowitsch erzählte. Am besten gefiel ihr, daß Ethan das Angebot
ablehnen wollte. Immerhin, lachte sie, hänge von ihm nicht weniger als das
Erscheinen des Messias ab.
    Am nächsten Tag besichtigten
sie gemeinsam eine Wohnung, von der ihm ein Kollege an der Universität erzählt
hatte. Altes Bauhaus. Der Besitzer, ein alter Mann in blütenweißem Hemd und
anthrazitschwarzer Hose, schloß ihnen auf. Das Appartement hatte einen großen
Balkon, der Mietpreis war fair. Sie entschieden sich schnell. Einziehen wollten
sie allerdings erst kurz vor Nuriths Rückkehr aus Amerika. Noch mußten sie
Tschuptschik, den rotgetigerten Kater, und die Wellensittiche versorgen.
    Am Wochenende besuchten sie
seine Eltern. Ethan umarmte Dina und Felix. Er nickte Rudi zu. Noch nie habe
er sich in Israel so zu Hause gefühlt, erzählte der Österreicher. Er sei am
Tag zuvor in Jerusalem gewesen. Er spüre inzwischen, wie sehr es seine

Weitere Kostenlose Bücher