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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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beiden Männer an. Ein kaltes Lächeln. Während sie sprach, unterstrich sie
ihre Worte mit ausladenden Gesten. Sie erinnerte Rudi an eine Polizistin, die
den Verkehr regelte. Sie war die Leiterin der Abteilung für Genetik. Rudi hatte
sich gewundert, wie ruhig und leer die Gänge hier waren. Im Warteraum bloß drei
andere. Eine Frau, olivgrüner Hosenanzug, still im Eck. Ein Jugendlicher in
Jeans, ein Muskelpaket, ein ständiges Wippen in den Beinen. Ein Mann mit Sakko
und Krawatte. Keine offensichtlich Kranken, wie er sie im Aufzug gesehen
hatte.
    Die Medizinerin verzog den
Mund. »Durch die künstliche Kreuzung von Nachfahren ein Individuum wieder
entstehen zu lassen ist abstrus. Und alles, was wir haben, sind die
verschwurbelten Berechnungen und Theorien von Rav Berkowitsch, der einen
Gesalbten Gottes hervorzaubern will.«
    »Warum machen Sie es dann
überhaupt? Arbeiten Sie in Wirklichkeit nicht an der Produktion eines jüdischen
Übermenschen?« fragte Ethan.
    Blödsinn, widersprach sie noch
einmal. Es gehe hier nicht um die Verbesserung der Gene. Von Eugenik könne
keine Rede sein. Berkowitsch wolle nur eines: jenen Embryo rekonstruieren, aus
dem der Messias einst hätte werden sollen. »Das ist doch schon meschugge genug.
Machen Sie nicht mehr daraus, als dieser Quatsch hergibt.« Der Rabbiner sei
eine überaus intelligente, eine grenzgeniale Person, eine charismatische
Persönlichkeit. Aber er habe sich in diese abstruse Idee verrannt.
    »Das sagen Sie? Und machen
trotzdem mit?«
    »Es ist ein interessantes
wissenschaftliches Projekt. Und gut ausgestattet. Aber die Prämissen, die
religiösen Theorien, sind vollkommen verrückt.«
    Ethan war außer sich. »Sind
wir hier im Irrenhaus? Ist denn das ganze Land übergeschnappt? Das ist doch
vollkommen hirnrissig.«
    »Ja. Wir sind hier nicht weit
von der psychiatrischen Abteilung, Professor Rosen. Sie liegt auf derselben Etage.
Die Psychiatrie ist sogar in das Projekt involviert. Rav Berkowitsch besucht
sie regelmäßig. Um, so die offizielle Begründung, den Patienten eine
spirituelle Stütze zu sein.«
    Ethan und Rudi wechselten
Blicke.
    Sie sagte: »In Wirklichkeit
ist er, ohne es zu ahnen, selbst ein Studienobjekt. Sie haben ihn ja erlebt. Er
ist ein Phänomen. Wer mit ihm spricht, ist überwältigt. Haben Sie es nicht
bemerkt?«
    Rudi seufzte und sah Ethan
zweifelnd an, aber der fragte: »Wie können Sie sich an dem Projekt beteiligen,
wenn Sie von seiner Widersinnigkeit überzeugt sind?«
    »Sie beteiligen sich, weil Sie
eine Niere für Ihren Vater wollen, nicht wahr? Wir können die Daten aus diesem
Genpool sehr gut gebrauchen. Mit dem Messias hat das nichts zu tun. Uns geht es
um die umfassende Untersuchung einer ausgesuchten, überschaubaren Gruppe
miteinander verwandter Menschen, die ganz spezifische Merkmale aufweist. Bei
diesem Vorhaben arbeiten Humanbiologen, Kliniker, Epidemiologen, sogar
Psychiater, Soziologen und Historiker zusammen. Wir wollen erforschen, wie und
wann bestimmte Krankheiten in dieser Sippschaft aufgetreten sind. Verstehen
Sie?«
    Die Frau mit den streng nach
hinten gekämmten Haaren klang ein wenig übersteuert. Sie hielt inne, dann leise,
als verrate sie nun das eigentliche Geheimnis: »Berkowitsch ist nicht ohne
Einfluß. Seine Autorität prägt seine Gemeinde, winzig zwar, aber - wer weiß -
in ein paar Jahren könnte er mitbestimmen, welche Koalition in der Knesset
gebildet wird.«
    Rabbi Jeschajahu Berkowitsch
stieß zwar selbst bei seinen Anhängern auf Mißtrauen, aber sein Satz, die
Grundeinheit der Heiligen Schrift sei die Doppelhelix, faszinierte Menschen
aus allen Lagern. In einer Ansprache vor Chassiden hatte er verkündet: »Jede
unserer Zellen enthält die ganze Thora.« Seine Sätze wurden überall zitiert,
sei es bewundernd oder voller Verachtung. Er wurde zu Talkshows eingeladen und
ging sogar hin. Er gewann amerikanische und europäische Sponsoren, Reiche, die
nicht wußten, wie sie ihre Jiddischkeit unter Beweis stellen sollten, die kaum
Pessach von Channukka oder Mazzeknödel von Krepplach unterscheiden konnten.
Milliardäre, denen es an nichts fehlte außer an der Möglichkeit, eine jüdische
Initiative zu unterstützen, weil ihr Geld bereits in alle anderen jüdischen
Organisationen floß. Und da kam Rabbi Berkowitsch, und mit einemmal wurden sie
zum Mäzen des Messias höchstpersönlich. Wen wunderte es, wenn daraufhin auch
die israelischen Institutionen mit Berkowitsch kooperierten. Er lukrierte

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