Rabinovici, Doron
neue
Mittel. Und erst die Religiösen! Viele Fromme waren zwar überzeugt: Jeschajahu
Berkowitsch war verrückt, aber er mußte ein Wunderrabbi und großer Gelehrter
sein, wenn er Finanz, Staat und Wissenschaft hinter sich vereinte.
Die Ärtztin sagte: »Er ist
genial. Aber daraus zu schließen, alle, die bei dem Projekt mitmachen,
glaubten an das Erscheinen des Messias, ist Blödsinn!« Der Rest war für die Medizinerin
Routine. Sie fragte - aus rein professionellen Gründen — nach den genauen
verwandtschaftlichen Beziehungen der beiden Männer, bis sie plötzlich zu Rudi
bemerkte: »Dann sind Sie also gar kein Jude?«
Er schwieg, aber Ethan fragte:
»Ich dachte, es geht Ihnen nur um Genetik und nicht um den Messias. Weshalb interessiert
Sie seine Religion? Sind Sie päpstlicher als Rav Berkowitsch?«
»Unterlassen Sie gefälligst
diese Anwürfe, Professor Rosen. Weiß Berkowitsch von Ihrer Herkunft, Doktor
Klausinger?«
»Ist doch egal«, fuhr Ethan
dazwischen. »Der Vater des jüdischen Messias könnte Buddhist sein, Muslim oder
Nazi. Es kommt auf die Mutter an.« Er schlug auf den Tisch: »Seit wann
interessieren Sie sich für die religiösen Gesetze? Hierzulande werden selbst Lesben
künstlich befruchtet, um ohne Mann eine jiddische Marne zu werden.«
»War das eine Anspielung,
Professor Rosen? Wollen Sie andeuten, ich sei hier fehl am Platz?«
Rudi mischte sich ein: »Das
wollte er sicher nicht. Entschuldige dich doch!«
»Wofür denn? Dafür, daß sie
deine Gene für minder erachtet, soll ich um Verzeihung bitten?«
Die Ärztin verschränkte die
Arme vor der Brust. »Beruhigen Sie sich. Das ist ein nationales Projekt. Wir
untersuchen einen ganz bestimmten Genpool. Ein Nicht-Jude paßt da nicht
hinein. Das ist nicht gegen Sie persönlich gerichtet, Herr Klausinger.«
»Wenn der Samen meines Bruders
Ihnen nicht gut genug ist, dann können Sie meinen auch vergessen. Und ob das
Eugenik ist. Das ist Rassismus!«
Rudi schwieg. Hatte Ethan ihn
gerade Bruder genannt?
Die Medizinerin sah die beiden
über ihre Brille hinweg an: »Ich folge wissenschaftlichen Vorgaben. Wenn Sie
aber wirklich meinen, daß Berkowitsch das anders sieht, dann rufen wir ihn doch
an. Soll er entscheiden.«
»Das wird nicht notwendig
sein«, flüsterte Rudi. Er stand auf, um zu gehen.
Ethan sprang ebenfalls auf. An
der Tür drehte er sich noch einmal um: »Wenn Sie ihn ausschließen, dann bin ich
auch nicht mehr dabei.«
»Und die Niere für Ihren
Vater?« fragte die Ärztin. Sie stellte die Frage ganz ruhig, wie nebenbei.
Sie schwiegen alle drei. Dann
wies sie auf die Stühle und bat die Männer, sich wieder zu setzen. Die Medizinerin
griff zum Telefon. Sie tippte eine Nummer, horchte in den Hörer, und ihr
Gesicht hellte sich auf, als sie sagte: »Rav Berkowitsch, hier ist Tamar. Wie
geht's?«
Sie erzählte detailliert. Auch
von Ethans Drohung auszusteigen, und überraschenderweise hatte der Rabbiner
nichts gegen Rudi einzuwenden. Entscheidend sei bloß die Eizelle. Die Mutter
bestimme die Zugehörigkeit. Er, Berkowitsch, brauche nun einmal männliche
Verwandte des Messias. Als Rudi der Medizinerin zurief, er plane ohnehin, zum
Judentum überzutreten, schrie Berkowitsch so laut, daß es auch für die beiden
Männer zu hören war: »Tamar, machen Sie Ihre Arbeit!«
»Wie Sie meinen.«
»Ich meine gar nichts. Ich
folge bloß den Richtlinien des Projekts und den Geboten des Herrn.«
Auf dem Gang warteten sie, bis
sie in ein Zimmer gebeten wurden. Sie mußten ein Formular ausfüllen und ein
Papier unterschreiben. Jeder von ihnen erhielt einen Plastikbecher. Sie
sollten zunächst in die Muschel urinieren, dann innehalten, den Strahl in den
Becher lenken und den Rest wieder in die Muschel ablassen. Ethan ging als
erster auf die Toilette. Danach mußten sie den Arm frei machen, und ihnen wurde
Blut abgenommen. Ethan sah zur Seite, als die Nadel die Haut durchstach. Rudi
lächelte die kleine, schlanke Schwester aufmunternd an.
Er war von Anfang an nur
einverstanden gewesen, sich auf das Projekt des Rabbiners einzulassen, wenn
untersucht würde, ob einer von ihnen beiden für eine Transplantation in Frage
käme. Falls keine andere Niere gefunden wurde, sollte auf sie beide
zurückgegriffen werden, und er hoffte insgeheim auf diesen Notfall. Eine junge
Assistenzärztin sagte ihnen, beim nächsten Termin in einer Woche sei, falls
die Untersuchungen keine Unregelmäßigkeiten anzeigten, die Spermienspende
vorgesehen. Sie sollten
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