Rabinovici, Doron
Sicherheitsmann holte einen
Kollegen. Eine Frau kam hinzu, die alle anderen zur Seite schob. Sie war
offenbar auf die Begutachtung elektronischer Objekte spezialisiert und fragte
ihn, ob er das Gerät einschalten könne. Wohl kaum, antwortete er gereizt. Ob
sie denn nicht sähe, daß es zerbrochen sei. Einer lachte, als er vom Auto
erzählte, vom Cabrio, um genau zu sein. Sie solle es nicht verbiegen, sagte
Rudi, sonst mache er sie für jeden Schaden haftbar.
Sie schauten ihn an, als wäre
er verrückt. Die Frau griff mit spitzen Fingern nach einem Kabel. Ob er sich
darum noch Sorgen mache? Einer von ihnen sagte, und er sah Rudi dabei sehr
ernst in die Augen, es gebe Schlimmeres als kaputte Rechner. Sie hier seien
verantwortlich für die Sicherheit von Menschen, aber nicht für die seiner Daten.
Sie müßten das Ding untersuchen, und zwar sofort, sonst könne er damit nicht an
Bord. Das Objekt sei verdächtig. Was denn da für Material aus dem Kasten
herausquelle? Wer in aller Welt verkleistere elektronische Geräte mit
Superkleber? Ob er schon von Semtex gehört habe? Es brauche nicht viel von
diesem Plastiksprengstoff, um eine ganze Maschine in die Luft zu jagen.
»Semtex«, rief ein Israeli,
der hinter ihm wartete, und das Wort pflanzte sich fort und verursachte weiter
hinten kleine Detonationen. Die Menschenschlange als Zündschnur: »Das weißt du
nicht? Explosiv. Ein tschechisches Produkt«, und einer sagte: »Sie haben es
bei dem dort gefunden. Aber jetzt nehmen sie ihn auseinander.« Die anderen
wichen zurück. Sie sahen ihn an wie einen Idioten, dem ein Paket untergejubelt
worden war von Terroristen, die alle hier ermorden wollten. Rudi verstand ihre
Gedanken. Sie waren ihm keineswegs fremd. Er mußte ihren Argwohn wecken. Seine
Angst um seine ungesicherten Dokumente, sein Haß auf Ethan und die
Jugendlichen, seine Wut auf Felix und Dina — alles sah man ihm an. Er wirkte
merkwürdig, und er wußte es.
An anderen Tagen hätte er
ihnen ihren Verdacht nicht übelgenommen, aber nun trug er ihnen alles nach,
seinen kaputten Laptop, den Verlust seiner Daten, den Raub seiner Identität,
die Lügen von Felix, die Zurückweisung von Noa, die Unterstellung, er habe
tschechischen Sprengstoff dabei. Was er denn hier gemacht habe? Wen er im Land
kenne? Worüber er schreibe? Ob er verstehe, weshalb sie diese Fragen stellen
müßten? Die Sicherheitsleute sahen ihn an. Einer fragte, woher er, der
Österreicher, denn so gut Hebräisch könne, und selbst das schien ihm diesmal
nicht zu nützen. Im Gegenteil.
Wie gut hätte er vorgestern
noch alles erklären können. Er hätte mit seinen Geschichten aufgewartet. Mit
dem Liebhaber der Mutter. Mit seinem verschollenen Vater, der Jude sei. Aber er
schwieg. Er wußte selbst nicht mehr, was er hier gewollt hatte. Wen im Land
kannte er denn wirklich? Hatte er sich nicht in allen getäuscht? Er merkte,
wie die Abscheu, die alle vor ihm empfanden, plötzlich von ihm selbst Besitz
ergriff, ohne daß er sich erklären konnte, weshalb. Er begann zu schwitzen, und
seine Hände zitterten, als er versuchte, ein Schloß an seiner Tasche zu
öffnen. Erst nach einer halben Stunde wurde er durchgelassen. Die anderen
Passagiere beobachteten ihn aus einiger Distanz.
In Flughäfen hatte er sonst
immer das Gefühl, ganz bei sich zu sein. Er dachte daran, gleich nach seiner
Ankunft Wilhelm Marker anzurufen. Er würde sich erneut um die Stelle bewerben,
und diesmal rechnete er sich bessere Chancen aus, denn der Institutsvorsitzende
würde nicht mehr auf Ethan hoffen, und Rudi war für ihn kein Unbekannter mehr.
Er sah sich um. Er saß zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Eine
arabische Familie, der Großvater mit Kafieh, die Großmutter mit Kopftuch,
wartete nicht weit von ihm auf den Aufruf zum Einsteigen. Im Flugzeug setzte
sich ein Hüne neben ihn. Ein Amerikaner. Der Riese wußte nicht, wie er seine
Beine unterbringen sollte. Alles war ihm zu klein. Er atmete schwer.
Sie schnallten sich an. Der
andere schaute auf die Reste dessen, was einst ein Laptop gewesen war. Rudi bemerkte
das Entsetzen in den Augen seines Sitznachbarn, und wieder begriff er, wie
merkwürdig er wirken mußte. Wer transportierte denn allen Ernstes einen vollkommen
zerstörten Computer von einem Land ins andere?
»I have a big problem«, fing
Rudi an, aber kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, fuhr der andere hoch,
sah ihn an und ballte die Faust. Der Amerikaner zeigte auf das Gerät. Es gebe
Spezialisten
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