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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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Nicht nur
in dieser vergangenen Nacht, sondern in all den Jahren, seit seiner Kindheit.
Immer auf der Suche nach einem Makel. Er ließ sie spüren, wie sehr sie ihn mit
ihrer Liebe und ihren Erwartungen verfolgten. Aber seit sein Vater so krank
war, hatte sich das Verhältnis zwischen ihnen geändert. Und zeigte Felix
angesichts des nahen Todes nicht eine Gelassenheit und Duldsamkeit, wie er sie
früher nie an ihm gekannt hatte?
    Er hörte seine Mailbox ab.
Rabbiner Berkowitsch hatte ihm eine Nachricht hinterlassen. Ethan wollte
auflegen, aber dann konnte er sich der eindringlichen Stimme wieder nicht
entziehen. »Ich muß mit Ihnen reden, Herr Rosen. Ich kann verstehen, wenn Sie
wütend auf mich sind. Es tut mir sehr leid. Zuerst meine Bitte, mir zu helfen,
dann diese Neuigkeiten. Sie sind nicht der, für den wir Sie hielten und der Sie
selbst zu sein glaubten. Ihre Mutter blamiert. Ihr Vater desavouiert. Ihre
Familie zerrissen. Es tut mir sehr leid.«
    So ist es, dachte Ethan, und
lauschte weiter dem Rabbiner.
    Berkowitsch sagte: »Herr
Rosen, ich melde mich wegen der Niere bei Ihnen. Es geht Ihnen doch um Felix.
Daran hat sich doch nichts geändert. Ich stehe nebbich in Ihrer Schuld. Ich
brauche Felix Rosen, er ist der letzte Überlebende aus der engeren
messianischen Familie. Ich brauche ihn, und er braucht mich. Rufen Sie mich an.
Mit Gottes Hilfe werden wir eine Niere finden!«
    An einer Ampel mußte er
halten. Ein Bettler humpelte zwischen den Autos durch. Eine arabische Familie
hastete die Straße entlang. Die Großmutter im bunten Gewand, die Enkelin in
Jeans.
    Ethan bog in die Straße ein,
in der seine Eltern wohnten. Er hörte eine Sirene. Das Alarmsignal kam näher,
und dann heulte es ganz dicht neben ihm. Ein Krankenwagen. Das Einsatzauto
überholte ihn und preschte geradeaus weiter.
    Noa begriff nicht, was sie
hier tat, und noch Jahre später würde sie sich fragen, weshalb sie in jener
Nacht bei den alten Rosens geblieben war. Dina hatte sie mehrmals aufgefordert,
nach Hause zu gehen, aber sie war sitzen geblieben. »Geh. Worauf wartest du?«
    Felix, soviel war klar, hätte
die Versöhnung gebraucht. Der Sohn war verschwunden, ohne sich zu verabschieden.
Kein Trost. Noa hatte bemerkt, wie Felix innerlich verfallen war. Sein Blick
war leer geworden, als Ethan und Rudi aus der Wohnung stürmten. Vielleicht war
das der Grund, weshalb sie nicht imstande war, die beiden Alten allein zu
lassen. Sie hoffte, Felix und Dina würden durch ihre Anwesenheit ein wenig
abgelenkt werden vom Streit mit den beiden Männern.
    Dina sagte: »Du kannst hier
niemandem helfen. Es ist gut, wenn wir jetzt alle zu Bett gehen.« Aber Noa
blieb. Dina saß auf dem Sofa. Immer noch sah sie fern, aber ihr Kopf schwankte
dabei wie eine Pappel im Wind. Immer aufs neue übermannte sie der Schlaf, doch
die Unruhe ließ sie wieder auffahren. Im Fernsehen sangen und schunkelten immer
noch die Gestalten aus fernen Zeiten.
    Noa wurde von diesem
Geistertanz angesteckt, auch sie blieb nur mit Mühe wach. Eben wollte sie sich
aufraffen und endlich gehen, als Felix ins Zimmer taumelte. Einen Moment lang
glaubte sie, eine Spukgestalt zu sehen, einen Untoten, so durchsichtig erschien
er ihr. Felix fiel eher, als daß er ging, er stolperte von einem Schritt in den
nächsten, schaffte es mit letzter Kraft noch bis zum Teppich, um dann vornüber
auf das Sofa zu stürzen. Dabei war es, als würden sich Milchglasscheiben über
den Blick legen, die Augen weit aufgesperrt, und er war nur Atemnot,
Beklemmung, Todesangst. Felix hechelte, ein Schnappen, ein Keuchen, und leise
hörte Noa, wie sich Worte aus ihm formten, aber sie verstand nicht, was er von
sich gab, was mehr ein Tierlaut als ein menschlicher war und vielleicht schon
nicht mehr bewußt gesagt wurde. Ihr schien, daß Felix nichts mehr hörte, nicht
mehr Noas Fragen, nicht mehr die Schreie von Dina - »Felix, was ist! Felix, sag
was! ... Felix!« -, und daß er nicht mehr begriff, was um ihn passierte, wie
Noa zum Telefon stürzte, die Notrufnummer wählte, wie sie den Krankenwagen
rief, die Adresse schrie und: »Schnell! Er kriegt keine Luft. - Nein, nicht
ansprechbar« und dann zurück zu ihm sprang, Dina zur Seite drängte, die ihm
über den Kopf strich und die schlaffe Hand küßte, schnell weg, um den
Bewußtlosen in die Seitenlage zu drehen und das eine Knie hochzuzerren. Aber
der Körper rollte halb zurück auf den Bauch, worauf sie sich mit aller Macht
dagegen stemmte, dann mit ihrer

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