Rabinovici, Doron
sind
verloren!«
In diesem Moment würgte es
Ethan. Er schluckte hinunter, was in ihm hochkam, dann flüsterte er: »Verzei hen Sie, aber mein Abba ist
tot. Gestorben. Heute. Hier. Nicht dort. Nicht damals. Nicht um Ihren Vater
geht es, sondern um meinen. Verstehen Sie, Rav?«
Da brach die Verbindung ab.
Jeschajahu Berkowitsch, eine religiöse Autorität im Land, der Vordenker einer
chassidischen Gemeinde, hatte einfach aufgelegt.
Ethan ging in die Küche. An
Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Er ließ einen Espresso durch die
Kaffeemaschine laufen, fahrig seine Bewegungen. Er schnitt sich eine Scheibe
Brot vom Laib und holte den scharfen Aufstrich, den er am Vortag gekauft hatte,
aus dem Kühlschrank, eine Mischung aus Melanzani, Knoblauch, Paprika, Chilischoten
und Olivenöl. Er nahm einen Teller und ein Messer aus der Lade, jedes Geräusch
klang schriller als sonst. Er setzte sich an den Tisch, aß und machte sich
nebenbei einige Notizen. Es wurde Zeit, die Details der Totenfeier zu planen.
Verwandte und Freunde mußten benachrichtigt, eine Anzeige in die Zeitung
gesetzt, das Begräbnis organisiert werden. Vor allem aber galt es, wachsam zu
sein. Was, wenn Berkowitsch und seine Truppe sich tatsächlich am Leichnam zu
schaffen machen wollten? Mußte er den toten Vater vor einem Wahnsinnigen
schützen?
In diesem Moment läutete es.
Er erwartete niemanden. Er ging zur Tür und schaute durch den Spion. Draußen
stand der Rabbiner. Er erinnerte sich nicht, dem Geistlichen seine neue Adresse
genannt zu haben, und sprach durch die verschlossene Tür. »Was wollen Sie?«
»Mich entschuldigen. Ich weiß
nicht, was über mich kam.« Ethan machte ihm auf. Berkowitsch schaute ihm direkt
in die Augen. »Ich hatte unrecht. Ich habe mich vergessen.«
»Kein Problem.«
Der Rabbiner nickte und blieb
stehen, erst da fragte Ethan: »Wollen Sie hereinkommen?«
»Keine Angst — ich wollte
Ihnen nur mein Beileid ausdrücken und meine Hilfe anbieten. Wenn Sie mich brauchen.
Für das Begräbnis.«
Was für ein schwarzgewandeter
Geier, dachte Ethan. Er konnte spüren, wie der Geistliche Macht über ihn
gewann. Er war nun leichte Beute. Berkowitsch wußte genau, was in einem
Hinterbliebenen, mochte er noch so laizistisch sein, vorging. Dort, wo die
Soziologen keine Antwort fanden, wurden die Rabbiner zu Experten. Das war ihre
Wissenschaft, und sie taugte mehr als ein Placebo, denn selbst wenn einer nicht
an die Zeremonien glaubte, halfen sie am Grab.
Er dankte Berkowitsch und
erklärte höflich, er würde darüber mit der Familie beraten. Als der Fromme
gegangen war, griff er nach seinem Mobiltelefon und überlegte, wen er fragen
könnte, ob Berkowitsch der Richtige für diese Aufgabe sei. Er ging die
gespeicherten Namen und Nummern durch und stieß dabei auf den Eintrag Papamobil, und da überfiel ihn plötzlich,
was geschehen war. Er konnte seinen Vater nie mehr um Rat fragen. Bald schon
würde er für Felix Avraham Rosen beten, würde er für seinen Vater Kaddisch
sagen.
Am Abend fuhren sie zu Dina.
Sie hatte die Spiegel in der Wohnung mit schwarzem Stoff verhängt. Vorsichtig
fragte er, was sie denn von der Idee halte, auf das Angebot des Rabbiners
einzugehen. Dinas lapidare Antwort: »Warum nicht?«
»Was, wenn er wieder vom
Messias spricht«, entgegnete Ethan, »Berkowitsch ist ein Fundamentalist, ein
jüdischer Mullah. Wäre Felix nicht schon tot, würde er jetzt vor Ärger
sterben.«
Bestattungsrituale waren Felix
nie wichtig gewesen. Wo er denn begraben sein wolle, hatte ein österreichischer
Geschäftspartner ihn vor Jahren gefragt. In seiner Geburtsstadt Wien, in
Chicago oder in Tel Aviv? Oder etwa in Jerusalem? Felix hatte geantwortet,
damit beschäftige er sich nicht, aber in Jerusalem wolle er nicht einmal
leben. Geschweige denn begraben sein. Dov war Jerusalemer gewesen. Er hatte
dort auch ein Grab gekauft, und er hatte nicht Katharina, sondern Dina und
Felix gefragt, ob er für sie die beiden Plätze nebenan reservieren lassen
solle. Felix hatte dem Freund entgegnet: »Lieber als ein Grab neben dir möchte
ich einen Parkplatz vor deinem Haus.«
Die Nachricht vom Tod seines
Vaters verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Während Ethan eine Nummer nach der
anderen in sein Mobiltelefon tippte, Familienmitgliedern und Freunden Bescheid
gab, auf Anrufbeantworter sprach, meldeten sich jene, die die Nachricht von
dritter Seite erfahren hatten, auf dem Festnetzanschluß. Ethan erreichte alte
Bekannte aus Wien, Paris
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