Rache - 01 - Im Herzen die Rache
hineinspazieren wollte.
Die Sache war sonnenklar: Em hatte sich in den Freund ihrer besten Freundin verliebt. In den letzten Monaten hatte sie sich Zach so nahe gefühlt wie sonst niemandem. Sie lachten beide über dieselben Witze, verdrehten gemeinsam die Augen, wenn Gabby mal wieder irgendwelchen Blödsinn machte. Und während Gabby sich gewöhnlich nicht für Zachs Collegepläne und Basketballerfolge interessierte, hörte Em ihm zu. Nicht etwa, dass Em Gabby und Zach nicht für ein tolles Paar hielt – theoretisch passten sie perfekt zusammen, die hübsche Ballkönigin und der gut aussehende Kapitän der Basketballmannschaft –, doch manchmal hatte sie das Gefühl, dass Zach jemanden mit etwas mehr Tiefgang verdiente.
Jemanden, der ein bisschen mehr wie Em war.
Sie würde niemals etwas in diese Richtung unternehmen. Doch sie musste zugeben, dass die Aussicht auf zwei gemeinsame Wochen mit Zach – ohne Gabbys ständige Anwesenheit – ihre Stimmung deutlich aufheiterte.
»Der Typ vom Sender hat meiner Mom erzählt, dass sie Sasha künstlich am Leben erhalten«, setzte Gabby Abbie Stevens, eines der anderen Redaktionsmitglieder des Jahrbuchs, das gerade zu der Gruppe gestoßen war, in Kenntnis. »Aber selbst wenn sie wieder gesund wird, wird sie wahrscheinlich nie wieder an die Ascension zurückkehren.«
Em erstarrte inmitten ihrer Gedanken und packte Gabby am Arm. »Wovon redest du da, Gabs?«
»Ach, du bist ja gerade erst gekommen. Du hast noch nichts davon gehört. Weißt du, Sasha Bowlder hat versucht, sich umzubringen«, erklärte Gabby mit großen Augen, wobei sie ihre Stimme wieder senkte.
Em sah sie verständnislos an.
» Was hat Sasha gemacht?«
»Sie wollte Selbstmord begehen und hat sich von der Piss-Brücke gestürzt«, sagte Gabby und versuchte, einen kleinen Hickser zu unterdrücken. Vielleicht lag es ja daran, dass sie beschwipst war, doch Gabby schien es beinahe zu genießen, diese Geschichte zu erzählen, so als stünde sie auf der Bühne und würde etwas vorführen. »Aber es hat nicht geklappt, also … ist sie jetzt im Krankenhaus. Gelähmt. Oder im Koma. Oder beides. Voll krass. Ich dachte mir, es wäre nett, ihr ein paar Blumen und eine Karte zu schicken, und hab angefangen, dafür zu sammeln. Wir haben schon so ungefähr fünfzig Dollar zusammen. Echt super.«
Gabby wandte sich wieder Abbie zu, die inzwischen von Fiona und Lauren flankiert wurde, doch Em blieb wie angewurzelt stehen. Sie war auf seltsame Weise zutiefst betroffen, konnte sich aber nicht erklären, warum. Sie und Sasha waren nicht befreundet gewesen. Sie hatte noch nicht einmal etwas gegen das ganze Sasha-Mobbing unternommen. Okay, sie hatte stets darauf geachtet, ihr freundlich zuzulächeln, wenn sie ihr im Flur begegnete, aber das hätte man auch leicht als abfälliges Grinsen eines der angesagteren Mädchen deuten können.
Die Unterhaltung hatte eine andere Richtung eingeschlagen: Das Thema Sasha (»Das macht mich ja so fertig«, seufzte Gabby) war für die Mädchen abgehakt und sie fingen an, sich über das Shopping-Monster, ein riesiges neues Einkaufzentrum, das direkt neben dem Highway gebaut wurde, zu unterhalten. Es war erst halb fertig und man lag sechs Monate hinter dem Zeitplan. Das diesjährige Weihnachtsgeschäft hatte noch in der alten Ladenpassage stattgefunden, die schon seit den Achtzigern nicht mehr renoviert worden war.
Em klinkte sich aus dem Gespräch aus. Es war zu heiß im Zimmer; und obwohl sie nur ein einziges Schlückchen Bowle zu sich genommen hatte, kam es ihr vor, als würde sich der Raum um sie herum drehen. Sie fragte sich, ob JD die Neuigkeiten wohl schon gehört hatte, und verließ die Küche, um ihn zu suchen.
Wie durch Gedankenübertragung erschien er plötzlich im Flur und stach mit seiner seltsamen Lila-Hemd-plus-Weste-Kombi wie immer aus der Menge hervor.
»Hey, Em.« Er hatte ein Bier in der Hand, von dem er aber anscheinend kaum etwas getrunken hatte.
»Ich hab gerade das von Sasha gehört.«
»Ich auch. Irgendwie fühle ich mich … ganz komisch«, sagte Em. »Ich kann gar nicht sagen, warum.« Eigentlich hätte sie gern darüber gesprochen, ob sie es nicht hätten merken müssen und wie sie es hätten verhindern können, doch sie wollte nicht anfangen zu weinen. Und sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil es ihr jetzt, nachdem es passiert war, so viel ausmachte.
Mehr als einmal hatte sie auf Sashas Kosten gelacht. Bis zur elften Klasse hatte sich Bowlder-Dissen an der
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