Rache - 01 - Im Herzen die Rache
Ascension High zu einem ebenso festen Bestandteil des allgemeinen Lehrplans entwickelt wie Englisch oder Mathe. Doch als vorige Woche, kurz vor den Weihnachtsferien, jemand peinliche Zitate aus ihrem E-Mail-Verkehr auf Facebook veröffentlichte, hatte die Sache noch eine ganz andere Qualität erreicht. In den Mails gestand Sasha ihre Sehnsucht danach, klug, schön und sexy zu sein – und gab dadurch nur ein noch traurigeres und einsameres Bild ab. Sie wollte so gern dazugehören. Die Zitate waren schon einen halben Tag lang online gewesen, bevor Sasha endlich merkte, dass die Leute sie mehr als sonst anstarrten, mit Fingern auf sie zeigten und über sie lachten. Em hatte sie dabei beobachtet, wie sie mit ihrem Lunchpaket in der einen und einer Wasserflasche in der anderen Hand dastand und auf das Smartphone-Display eines Mitschülers starrte. Schweigend hatte sie ihr Mittagessen abgelegt, sich auf dem Absatz umgedreht und war davongegangen. Drea Feiffer, ihre einzige Freundin, hatte ihr noch hinterhergerufen, sie solle warten, als die Cafeteriatür auch schon zuknallte.
Und jetzt hatte sie versucht, sich umzubringen.
»Wollen wir gehen?« JD zog an den Spitzen seiner ewig abstehenden Haare und sah Em ernst an.
»Von den anderen geht doch auch keiner«, antwortete sie und zeigte matt auf niemand Bestimmten. »Ich will da kein so großes Ding draus machen.«
»Wir müssen ja kein großes Ding draus machen. Lass uns einfach verschwinden. Du siehst ganz schön blass aus.«
Em sah JD dankbar an. »Okay«, sagte sie. »Ich hol nur schnell meinen Mantel … Ich glaube, Gabby hat ihn in eins der oberen Schlafzimmer geworfen.«
»Hört sich gut an«, antwortete JD. »Ich warte hier unten.«
Em stellte ihre Bowle ab und ging langsam die große Treppe hinauf, die, obwohl sie mit Teppich ausgelegt war, unter ihren Füßen knarrte. Am oberen Ende befand sich ein riesiges buntes Glasfenster, das ein bisschen wie aus einem Geisterschloss wirkte. Es zeigte eine sonnige Landschaft, erzeugte aber durch das Mondlicht, das hindurchfiel und rote und orangefarbene Schatten auf den Boden warf, einen ziemlich gespenstischen Eindruck.
Sie wandte sich nach rechts und ging in das erste Schlafzimmer, wo sich ein Berg von Mänteln auf dem Bett stapelte. Das Zimmer war sehr geräumig und kam ihr irgendwie leer vor; es hing fast nichts an den Wänden. Außer ihr schien niemand hier oben zu sein und die Partygeräusche waren kaum mehr als ein dumpfes Pochen. Draußen schneite es noch immer.
Em fröstelte. Stieg Hitze nicht eigentlich nach oben? Unten war es ihr zu heiß gewesen – und jetzt fror sie. Sie beugte sich über das Bett, um in dem gedämpften Licht, das durch die Fenster drang, nach ihrem Mantel zu suchen.
»Suchst du was?«
Em wirbelte herum und stand plötzlich auf Kinnhöhe Zach gegenüber, der mit seinen 1,85 Metern genau das richtige Verhältnis zu ihrer 1,75-Meter-Statur hatte. Er schien sich aus dem Nichts materialisiert zu haben – sie hatte jedenfalls keine Stufen knarren gehört.
»Meinen Mantel, ehrlich gesagt«, erwiderte sie. »Ich wollte eigentlich gerade gehen.«
»Jetzt schon?«, fragte Zach und zog einen Schmollmund.
»Ja, ich … fühle mich nicht so besonders«, antwortete sie. Obwohl es ihr jetzt, mit Zach in ihrer Nähe, irgendwie schon viel besser ging.
»Oh … dann solltest du dich wohl tatsächlich ein wenig ausruhen.« Er nahm sie kurz in den Arm. Er roch nach Bier und Seife. »Hey, wir sehen uns doch in den Ferien? Ich könnte dringend ein zweites Paar Augen gebrauchen, das einen Blick auf meinen Aufsatz wirft. Außerdem muss ich dich noch beim Guitar Hero-Spielen fertigmachen, als Revanche für meine Schlappe von letzter Woche.«
Hatten seine Hände nicht einen Moment zu lang auf ihrer Schulter gelegen? Ob ihm aufgefallen war, wie gut ihre Körper zusammenpassten?
Ein plötzliches Schuldgefühl durchzuckte Em. Sie durfte nicht so an Zach denken, schon gar nicht heute Abend.
»Ja«, antwortete sie. »Und ja. Ich hab Gabby sowieso versprochen, dich in den nächsten Wochen nicht aus den Augen zu lassen.« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie es auch schon.
»Na, dann ist ja alles in Butter.« Er beugte sich mit einem Grinsen zu ihr hinunter. »Scheint so, als hättest du mich auch in letzter Zeit schon nicht aus den Augen gelassen.«
Sämtliche Hitze schoss zurück in Ems Körper. »Was … was meinst du damit?«, stammelte sie.
Zach zuckte mit den Schultern und grinste
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