Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache - 01 - Im Herzen die Rache

Rache - 01 - Im Herzen die Rache

Titel: Rache - 01 - Im Herzen die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Miles
Vom Netzwerk:
bückte, um das Kleidungsstück vom Boden aufzuheben, überkam sie ein merkwürdiges Angstgefühl. Der Stoff lag schwer in ihrer Hand. Dann blitzte das leuchtend pinke Futter hervor. Und da, mitten auf der Brust, steckte eine herzförmige Strassbrosche.
    »Was zum …?«, murmelte sie kaum hörbar.
    Gabbys Mantel – sie hatte ihn schließlich doch noch gefunden.
    Em drehte sich einmal komplett im Kreis herum, als hoffte sie auf irgendeine Erklärung in den dunklen Bäumen, dem wabernden Nebel oder auf der leeren Straße. Das konnte einfach kein Zufall sein.
    Sie ging zurück zu ihrem Wagen und trug den Mantel wie etwas Lebendiges behutsam vor sich her. Kaum dass sie die offene Wagentür erreicht hatte, schleuderte sie ihn auf die Beifahrerseite, ohne sich darum zu kümmern, dass er auf dem Boden vor dem Sitz landete. Gabbys Lieblingsmantel war jetzt wirklich das Letzte, was sie sehen wollte. Und dann, als sie sich hinsetzte, um auf JD zu warten, pikste sie etwas ins Bein. Sie hielt inne.
    Auf dem schwarzen Ledersitz lag eine wunderschöne Orchidee, filigraner als jede andere Blume, die sie je gesehen hatte. Mit Sicherheit keine Sorte, die um diese Jahreszeit in Maine wuchs. Ihre Blütenblätter sahen aus, als wären sie aus Zuckerguss. Und sie besaß die tiefe dunkelrote Farbe frischen Blutes.
    Em nahm sie vom Sitz und drehte sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Die musste Zach für sie dahin gelegt haben – vielleicht während der paar Minuten, in denen er verschwunden war? Aber warum hatte sie sie dann nicht schon beim Einsteigen bemerkt?
    Em verscheuchte die Zweifel aus ihren Gedanken. Zach hatte die Blume für sie dahin gelegt, als Teil seines Geschenks. Ganz sicher. Und doch überkam sie ein merkwürdiges Gefühl der Angst, wenn sie dieses … Ding ansah, und so achtete sie sorgfältig darauf, den Reißverschluss wieder ganz fest zuzuziehen, nachdem sie die Orchidee in den Tiefen ihrer Tasche verstaut hatte, als könnte diese sie in ihren Bann ziehen und verschlingen.

Kapitel 6
    Chase musste Ty finden, hatte jedoch keine Ahnung, wo er suchen sollte. Er hatte sie und ihre Cousinen vorher noch nie gesehen und sie hatten ihm keinerlei Hinweis darauf gegeben, woher sie kamen oder wohin sie gingen. Immerhin hatte Ty gesagt, dass sie sich sicher bald wieder über den Weg laufen würden, also musste sie irgendwo in der Nähe sein. Chase hatte nicht vor, die Sache noch einmal dem Schicksal zu überlassen – er würde die Dinge jetzt selbst in die Hand nehmen.
    Am Samstag suchte er in der alten Shopping Mall, drängelte sich durch die Last-Minute-Weihnachtsgeschenke-Käufer und erkundete Läden, die er sonst mied wie die Pest, in der Hoffnung, irgendwo Tys rotes Haar zu erblicken oder ihr helles Lachen zu hören. Später am Abend fuhr er am Fitzroy’s vorbei und durch die Gegend, in der sich Ascensions Schnellrestaurants befanden, und klapperte die Parkplätze nach dem weinroten Lincoln ab.
    Sie durfte ihm nicht entwischen. Er musste sie sehen. Das Verlangen war ein Schmerz in den Muskeln, brannte auf seiner Haut, pulsierte heiß durch seine Adern. Zum ersten Mal seit Jahren dachte er wieder an eine der letzten Begegnungen mit seinem Dad. Es war nach einem zwei Wochen langen Saufgelage gewesen. Die Cops hatten ihn nach Hause gekarrt. Chase hatte dabei zugesehen, wie er sich in den Wohnwagen schlich: abgemagert, stinkend und halb tot. Und das Erste, was er verlangte, als er aufwachte, war ein Drink. »Ich kann nicht ohne«, sagte er mit verzweifeltem Blick und Chase hatte sich angewidert abgewandt.
    Seltsamerweise verstand er jetzt, was sein Dad gemeint hatte.
    Nachdem er zum zweiten Mal am Lebensmittelladen vorbeigefahren war, legte er bei Dunkin’ Donuts eine Pause ein, um sich einen Kaffee zu kaufen und seine Gedanken zu ordnen. Wo würde eine geheimnisvolle Schöne den Tag vor Weihnachten verbringen? Er fuhr zur Einkaufspassage im Stadtzentrum, wo sich ein Nagelstudio, ein Friseur, Reel Time Movies und Pete’s Pizza befanden. Er atmete tief durch, betrat das Nagelstudio und reckte den Hals, um zu sehen, wer an den jeweiligen Behandlungstischen saß. Ohne Erfolg.
    Eine griesgrämig dreinblickende Frau am Tresen musterte ihn und fragte: »Maniküre gefällig, Süßer?«
    »Nein, ich habe bloß jemanden gesucht«, erwiderte Chase und verließ den Laden. Das war lächerlich. So würde er Ty nie finden. Aber dieses Verlangen war immer noch da, stärker als vorher. Ein Verlangen, das er sich nicht erklären konnte.

Weitere Kostenlose Bücher