Rache - 01 - Im Herzen die Rache
seiner Mom und ihm, das über der gebraucht gekauften Couch hing.
Doch Ty schien das nicht zu stören. Sie sah sich nicht prüfend um – stattdessen schaute sie ihn einfach nur an. Es war, als strahlte sie ein Licht aus, Licht, das diesen beengten Raum größer und sauberer und weniger peinlich erscheinen ließ.
»Ich, äh, habe nicht mit Besuch gerechnet«, sagte Chase und deutete auf seine blanke Brust und die Jogginghose. Den ganzen Vormittag über hatte er geschwitzt, und jetzt das … Na ja, wenigstens bekam Ty auf diese Weise seine Muskeln zu sehen. Obwohl sie, im Gegensatz zu anderen Mädchen, weder Notiz davon zu nehmen noch sich dafür zu interessieren schien.
»Ach, das macht nichts«, antwortete sie. »Ist ja auch ’ne Schnapsidee von mir, an Weihnachten vorbeizukommen, aber … ich feiere diesen Tag nicht wirklich, weißt du. Du scheinst aber auch nicht großartig zu feiern.« Aus dem Mund von jemand anderem hätte das wahrscheinlich wie eine Beleidigung geklungen; doch Chase hatte in diesem Augenblick das Gefühl, dass Ty ihn verstand.
»Na ja, egal«, plapperte sie weiter, »ich wollte dich schon die ganze Zeit ausfindig machen, seit du meinen Cousinen und mir mit dem Auto geholfen hast. Ich wollte mich noch einmal richtig bedanken.«
Und als sie dann außerdem hinzufügte: »Ich möchte dich einladen, mit mir auszugehen«, musste Chase sie wie ein Idiot angestarrt haben.
Er konnte es nicht fassen. Ty übernahm die ganze Arbeit für ihn. Das war das schönste Weihnachtsgeschenk, das er sich nur wünschen konnte. Er musste einfach nur noch Ja sagen. Und das tat er, wobei er sich fast schon selbst überschlug. »Ähm, klar. Ich glaube, ich hab Zeit«, stammelte er, während er sich im Wohnwagen umblickte. »Ich meine, ja, ich hab auf jeden Fall Zeit.«
Jegliche Taktik, die er sich vielleicht mal zurechtgelegt hatte, war futsch. Und seltsamerweise gefiel ihm das irgendwie.
Er düste in sein Zimmer und zog sich, so schnell er konnte, um, kämpfte nervös mit seiner auf links gedrehten Jeans und schlug mit der Faust gegen die Wand, als er feststellte, dass er keine frisch gebügelten Hemden mehr hatte. Er versuchte, sich verschiedene Gesprächsthemen zu überlegen, die Ty vielleicht interessieren könnten; sein Blick fiel auf Macbeth und er wünschte, er hätte schon mehr davon gelesen.
Als sie schließlich den Wohnwagen verließen, sah Chase sich suchend nach Tys Wagen um.
»Ehrlich gesagt bin ich hierher gelaufen«, erklärte sie, als sei das überhaupt nichts Besonderes. Als sei es vollkommen normal, in der eiskalten Luft durch eine fünfzehn Zentimeter hohe Schneeschicht bis zur Wohnwagensiedlung am Stadtrand von Ascension zu wandern.
Sie sah ihn von der Seite an. »Ich hoffe, du hältst mich jetzt nicht für eine Stalkerin oder so.«
Beinahe hätte Chase geantwortet, dass ihm das nichts ausmachen würde, aber er konnte es sich gerade noch verkneifen. »Wie hast du rausgefunden, wo ich wohne?«, fragte er.
»Ich hab da so meine Mittel und Wege«, erwiderte sie ausweichend und zwinkerte ihm zu. Ihm wurde ganz warm im Bauch. »Ich kenne mich hier in der Gegend aus.«
»Ach, echt? Wieso das denn?«
»Meine Familie hat früher mal hier gewohnt …«, ließ sie die Sache etwas im Unklaren.
»In Ascension? Das ist ja cool. Und was führt dich hierher zurück?«
»Ich hab mir noch ein Jahr freigenommen, bevor ich aufs College gehe«, antwortete sie und wandte sich ihm mit einem strahlenden Lächeln zu. Sie hatte so wunderschöne Lippen. »Ich wollte gern noch einmal herkommen, um zu sehen, wie der Ort sich verändert hat. Es ist so ein bisschen wie … ein verlängerter Urlaub für meine Cousinen und mich.«
»Das hört sich toll an.« Chase versuchte, möglichst locker zu klingen. Sie war also schon älter. »Und deine Cousinen – was machen die heute Abend?«
»Die begleiten uns«, sagte Ty und klatschte – typisch Mädchen – in die Hände, als sei das eine Selbstverständlichkeit.
»Sie warten bei der Reinigung neben dem Autokino«, erklärte Ty ihm. »Ich hatte gehofft, wir könnten deinen Wagen nehmen und sie abholen?«
Einen Moment lang war Chase enttäuscht, Ty nicht für sich allein zu haben, aber zwei weitere scharfe Begleiterinnen waren schließlich auch nicht das Schlechteste.
Als er ein paar Minuten später vor der schäbigen Wäscherei anhielt, saßen die anderen Mädchen auf der Kühlerhaube ihres Wagens; Meg mit ihrem welligen weizenblonden Haar, ihren schmalen
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