Rache an Johnny Fry
sie zögernd: »Ah, oh ja. Bis dann.«
Cynthia hingegen, obwohl ich sie noch nie gesehen hatte, war bereit, so etwas wie eine Verpflichtung einzugehen. Sie saß vor ihrem Telefon und wartete darauf, dass meine Nummer auf ihrem Display erschien.
Kein Wunder, dass Jo mich allenfalls für Durchschnitt hielt. Ich hatte nicht mal gewusst, wie ich reagieren sollte, als ich sie mit ihrem Liebhaber erwischte. Er fickte sie in den Arsch, als gehörte sie ihm, nur ihm allein. Sie nickte und nannte ihn Daddy. Und was tat ich?
Ich fühlte nach der Pistole in meinem Jackett. In dem Moment schlug mir ein Regentropfen ins Gesicht. Ich hatte einen Brookstone-Schirm in meiner Aktentasche. Als ich ihn aufgespannt hatte, regnete es bereits in Strömen. Meine Füße wurden nass, aber das war nicht so schlimm.
An der Ecke Sixth Avenue blieb ich neben einem jungen Schwarzen stehen, der nicht älter als zwanzig war. Er trug eine schwarze Hose und ein weites T-Shirt und wurde klatschnass.
»Welche Richtung gehen Sie?«, fragte er schüchtern.
»Westlich.«
»Könnte ich…?«
Ich machte eine einladende Geste mit der Aktentasche, und er duckte sich zu mir unter den notdürftigen Schutz meines Schirms.
Wir gingen Seite an Seite, eng beieinander, ohne uns zu berühren oder miteinander zu reden. Um uns herum rannten die Leute in alle möglichen Richtungen oder standen in Türeingängen. Ein extrem dicker Kerl hatte einen so kleinen Schirm, dass es fast so aussah, als trüge er nur einen Hut.
Nach ein paar Blocks sagte der junge Mann: »Ich will zu Billy’s Burger hinter der Tenth. Gehen Sie auch so weit?«
»Klar.«
Es war komisch, so neben jemandem herzugehen, den ich nicht kannte. Ich musste an die glasäugigen Wölfe im Museum of Natural History denken. Manches tut man aus Instinkt, und das ist etwas Kostbares in unserer sogenannten zivilisierten Welt…
Als wir die Tür des Fast-Food-Restaurants erreichten, fragte mich der junge Mann: »Wohin gehen Sie?«
Er schielte und hatte einen Silberzahn.
»Ich gehe spazieren, um die Zeit totzuschlagen«, sagte ich.
»Wollen Sie irgendwas?«, fragte er mich.
»Wie bitte?«
»Ich könnte Ihnen einen blasen.«
»Ah…. nein. Nein, danke.«
»Würde nichts kosten. Wohnen Sie in der Gegend?«
»Tut mir leid…. nein.«
»Okay. Danke fürs Bringen.«
Damit drehte er sich weg und ging ins Restaurant, wo ihn andere junge Männer begrüßten und auf Wangen und Lippen küssten.
Auf dem Weg zurück zum Grand Central dachte ich an den letzten Besuch bei meiner Mutter. Das Einzige, worauf sich meine Geschwister und ich hatten einigen können, war, dafür zu sorgen, dass sie einen schönen Alterssitz bekam. Wir alle steuerten monatlich etwas bei, und ihre staatliche Rente reichte für den Rest. Im kleinen Gemeinschaftssaal gab es Bingo-Abende und abendliche Filmvorführungen. Sie hatte einen weißen Freund, der noch Tennis spielte und die Woche über mit ihr zu Abend aß.
»Könntest du dir vorstellen, ihn zu heiraten?«, fragte ich meine Mom während eines unserer Dreiminutengespräche.
»Oh nein, Eric«, sagte sie. Sie nannte mich oft beim Namen meines Bruders, und ich fragte mich, ob sie überhaupt noch wusste, dass sie zwei Söhne hatte.
»Oh nein«, wiederholte sie. »Ich habe ja nicht mal deinen Vater geheiratet.«
»Was?«
»Ich habe ihn nie geheiratet. Ich bin eine freie Frau. Er kann mich nicht als sein Eigentum betrachten. Keiner kann das.« Sie wirkte aufgeregt, fast zornig.
»Du wolltest also nie verheiratet sein?«
»Nein, Sir. Ich nicht.«
»Ja, Sir?«, fragte die junge lateinamerikanische Empfangsdame.
»Ich heiße Cordell«, sagte ich. »Sie heißt Brenda. Wir sind um zehn zum Essen verabredet.«
Die hübsche Frau sah auf ihren Bildschirm und lächelte.
»Ihr Gast ist bereits da, Cordell. Gehen Sie an der Bar entlang und dann gleich rechts.«
Am Eingang zum Restaurant stand ein pummeliges weißes Mädchen in einem blauen Rüschenkleid und lächelte mich an.
»Hier entlang«, sagte sie und hielt sich die Speisekarten vor das großzügige Dekollete.
Das Restaurant war in zwei Bereiche unterteilt. Der erste war kleiner, aber mit großen Tischen und einer Bank für acht oder neun Paare ausgestattet. Der nachfolgende, in dem unser Tisch stand, war offen und man sah bis hinauf zum türkisfarbenen Dach der Bahnhofshalle, auf das die Tierkreiszeichen gemalt waren, mit kleinen gelben Lichtern für die Sterne.
Das Mädchen brachte mich zu einem Tisch,
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