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vom Unterricht ausgeschlossen. Er durfte nur nachmittags in die Schule kommen, um dann unter der Aufsicht einer Lehrkraft den Stoff, den seine Mitschüler am Vormittag durchgenommen hatten, nachzuarbeiten. Bens Eltern waren zwar noch ziemlich sauer, zeigten sich aber zunehmend versöhnlicher. Einmal war ihm Johannes über den Weg gelaufen und der hatte ihm sogar freundlich zugenickt. Von Marcel hörte Ben kein Sterbenswörtchen.
Seine Eltern wollten den Namen Marcel nicht mehr hören, und als er einmal heimlich, mit wild schlagendem Herzen und schweiÃnassen Händen, bei Marcel zu Hause anrief, teilte ihm eine blecherne Stimme mit: âKein Anschluss unter dieser Nummer!â
Später hatte er es dann nochmal mit Marcels Handynummer versucht. Aber auch dort wurde ihm von einer weiblichen Stimme, die vom Band kam, mitgeteilt: âDiese Nummer ist nicht vergeben!â
Justus Brand hatte es durchgesetzt, dass Ben auch während seiner dreiwöchigen Suspendierung vom Unterricht weiter an der Herzpfade-AG teilnehmen durfte.
âFür Bens weitere Entwicklung ist es wichtig, dass er lernt, besser mit seinen Gefühlen umgehen zu können. So etwas darf nicht wieder vorkommen. Und genau das lernt er in dieser AGâ, hatte er seinen Vorschlag dem Schulleiter gegenüber begründet und schlieÃlich das Okay dafür erhalten.
Am Ende der zweiten AG-Stunde hatte Ben sich dann getraut, den Sozialpädagogen auf Marcel anzusprechen.
âMarcel hat sofort alles zugegeben. Er hat sogar die ganze Schuld auf sich genommen. Er meinte, du wärst nur ein kleiner Mitläufer gewesen, der noch nicht einmal wüsste, wie das Internet überhaupt funktioniert und was es für Möglichkeiten bietet. Er ist mit sofortiger Wirkung von der Schule beurlaubt worden. Genauso wie du. Allerdings wird er nicht mehr zurückkommen.â
Mein Retter, dachte Ben und musste schon wieder feststellen, dass er Marcel etwas schuldete. Doch dieser Gedanke gefiel ihm ganz und gar nicht. Er wollte niemandem mehr etwas schuldig sein. Er, Ben, wollte selbst mutig und selbstbewusst auftreten. Und zwar mit absolut fairen Mitteln. Ben hatte seine Lektion gelernt. Gewalt, in welcher Form oder Gestalt auch immer, erzeugt Gegengewalt â in welcher Form oder Gestalt auch immer. Und dass Gewalt nicht nur körperliche Angriffe bedeuten konnte, hatte Ben inzwischen auch begriffen.
âMarcel ist mit seiner Mutter in die Stadt gezogen. Zu seinen GroÃeltern. Er besucht dort eine Realschule. Fürs Gymnasium hat es nicht mehr gereicht. Alleine schon wegen der vielen unentschuldigten Fehlstunden und weil er schon einmal sitzen geblieben war. Allerdings wird er sich noch wegen des Videos vor dem Jugendgericht verantworten müssenâ, berichtete Justus Brandt weiter.
âUnd wird er jetzt ins Gefängnis kommen?â, wollte Ben erschrocken erfahren.
âNein, ganz bestimmt nicht. Er wird garantiert eine ordentliche Anzahl an Sozialstunden aufgebrummt bekommen, die er ableisten muss. Na ja, und die Anwalts- und Gerichtskosten werden sicherlich von seiner Familie getragen werden müssen. Soweit ich weiÃ, hat Herr Seidel aber von einer Schadensersatzklage abgesehen, sodass in dieser Richtung wohl nichts mehr auf Marcel und seine Familie zukommen wird.â
Das alles hatte Ben gehört und sich dabei einer wahren Achterbahnfahrt seiner Gefühle ausgesetzt gesehen. Einerseits war er unendlich erleichtert, dass er nicht von der Schule geflogen, sondern nur für drei Wochen vom normalen Unterricht ausgeschlossen worden war. Und natürlich war Ben auch mehr als dankbar dafür, dass er sich nicht vor Gericht verantworten musste. Andererseits wurmte es ihn, dass Marcel ihm wieder mal aus der Patsche geholfen hatte. Dadurch wurde sein schlechtes Gewissen Marcel gegenüber nur noch verstärkt. Und dann war da natürlich noch die Angst, die ihm nach wie vor tief im Nacken saÃ. Er wusste nicht genau, wovor. Und auch nicht so richtig, vor wem. Sie war einfach da und wollte nicht weggehen.
Die AG-Stunden bei Justus Brandt waren für Ben inzwischen zu einer echten Bereicherung geworden. Nicht nur, dass er dort auf Susanna traf, die ihm nach anfänglicher Zurückhaltung immer weniger die kalte Schulter zeigte, auch der Kontakt zu den anderen Schülern tat ihm gut. Sein Unbehagen, wenn er an den ersten richtigen Schultag in seiner Klasse dachte, schrumpfte immer mehr. Inzwischen
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