Rache auf leisen Pfoten
gefühlsbetont, sexbesessen und unterbemittelt.« Sie tippte sich an den Kopf. »Denken Sie, was Sie wollen. Ich habe trotzdem Ehrgefühl. Ich sage nichts.«
»Damit könnten Sie sich eine Menge Unannehmlichkeiten einhandeln«, erwiderte Rick leise.
»Äußerliche Unannehmlichkeiten, keine innerlichen.« Sie zeigte auf ihr Herz.
51
Rick hatte eine Viertelstunde am Telefon gehangen. Aus einer Eingebung heraus hatte er Cynthia bei der Polizei in San Francisco anrufen lassen.
Er wollte mit den Beamten sprechen, die in jener Nacht am Schauplatz gewesen waren. Tony Minton, inzwischen zum Captain befördert, erinnerte sich zum Glück an den Fall.
»… Sie sicher, dass der Zettel seine Handschrift trug?«
Captain Minton erwiderte: »Ja. Wir haben nach dem Selbstmord seine Wohnung durchsucht. Es war seine Handschrift. Unser Grafologe hat es bestätigt.«
Rick zitierte Rons Abschiedsworte: »Genug ist genug.«
»Das war alles.«
»Es gab drei verlässliche Zeugen.«
»Und weitere, die nicht angehalten haben. Sie berichteten von einem jungen Mann, der auf die Golden-Gate-Brücke kletterte, zum Abschied winkte und sprang. Die Leiche haben wir nie gefunden.«
»Und die Zeugen konnten das Opfer beschreiben?«
»Mittelgroß. Schlank. Jung. Dunkle Haare.«
»Ja.« Rick hielt sich einen Moment die Hand vor die Augen. »War er aktenkundig?«
»Nein.«
»Captain Minton, danke, dass Sie das alles noch mal durchgegangen sind. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an.«
»In Ordnung.« Rick hängte ein. Er stand auf, stülpte sich seinen Hut auf den Kopf, winkte Cynthia zu sich, die wieder Laborberichte studierte. »Gehen wir«, sagte er.
Schweigend folgte sie ihm. Zwanzig Minuten später standen sie vor Dede Rablans Haustür.
Dede öffnete und ließ sie herein. Sie schickte die beiden Kinder, acht und zehn Jahre alt, in ihre Zimmer und bat sie, nicht zu stören.
»Es tut mir leid, Sie noch einmal zu belästigen, Mrs Rablan.«
»Sheriff, ich wünsche genau wie Sie, dass der Fall aufgeklärt wird. Dennis würde nie jemanden umbringen. Ich kenne ihn.«
»Hoffentlich haben Sie recht.« Rick versicherte ihr durch seinen Tonfall, dass er genauso dachte. »Hat er sich heute gemeldet?«
»Nein. Meistens ruft er abends an, um nach den Kindern zu fragen. Er hat sie nächstes Wochenende.«
»Sie haben sich gleich nach dem College kennengelernt?« Dies entnahm Cynthia ihren Notizen aus einer früheren Befragung.
»Ja. Ich habe bei einem Reisemagazin gearbeitet. Als Rechercheurin vor Ort.«
»Dede.« Cynthia beugte sich zu ihr vor. Sie kannten sich, weil sie dieselbe Tanzschule besucht hatten. »Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, dass Dennis ein Geheimnis hatte?«
»Ich hatte eine Ahnung, dass er mir untreu war.« Sie schlug die Augen nieder.
»Kein dunkleres Geheimnis?«
»Nein, Cynthia. Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, aber er ist nicht gewalttätig. Er ist unbesonnen. Verwöhnt. Wenn er ein dunkles Geheimnis hätte, dann hätte er es zwölf Jahre vor mir verborgen gehalten. Man muss schon ein sehr guter Schauspieler sein, um das durchzuziehen.«
Rick räusperte sich. »Sind Sie jemals auf den Gedanken gekommen, dass Ihr Mann homosexuell sein könnte?«
Dede blinzelte ein paarmal, dann lachte sie. »Sie machen wohl Witze.«
52
Der Montag wurde noch chaotischer als der Sonntag. Pressereporter behinderten die Menschen bei der Arbeit, Fernsehberichterstatter rollten in Übertragungswagen über die Route 240 und die Whitehall Road und hielten Ausschau nach möglichen Interview-Opfern.
Harry und Miranda weigerten sich, mit den Medienleuten zu sprechen. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, als die Fernsehteams mit ihren Kameras trotzdem hereinkamen und die Interviewerin sich auf die Leute stürzte, die ihre Postfächer öffneten.
»Frag mich«, rief Pewter. »Ich hab die Garrotte entdeckt.«
»Ich hab die Leiche entdeckt. Ich hab sie gerochen!«, sang Tucker ihr eigenes Lob.
»Seid lieber still, ihr zwei. Dieser Ort ist Staatseigentum, und ich glaube nicht, dass Tieren erlaubt ist, in Postämtern zu arbeiten«, murrte Murphy. »Die hören nicht zu. Sie hören nie zu. Es war Dennis Rablan, ihr Trottel – Dennis und einer, der sich mit Englisch-Leder-Cologne überschüttet hatte.«
»Quatsch! Der Staat hat das Gebäude gemietet. Solange es ihm nicht gehört, können wir tun und lassen, was wir wollen.« Dies hatte Pewter von Miranda gelernt, die allerdings nicht
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