Rache auf leisen Pfoten
denke, du wirst heulen, wenn du dich von der Karre da draußen trennen musst.«
»Werd ich nicht.« Ihre Wangen färbten sich rot.
»Okay.« Er zwinkerte Miranda zu, als Harry nicht hinsah, ging zur Tür, drehte sich dann um. »Ich bring die Luzernecobs heute Abend vorbei.«
»Ich weiß gar nicht, ob ich mit dir reden will. Ich kann’s nicht glauben, dass du denkst, ich würde wegen ’nem Transporter heulen.«
»Oh-ha.« Er stieß die Tür auf und trat in die frische Luft. Es fühlte sich mehr nach Ende September an als nach Ende August.
»Er bringt mich auf die Palme«, murmelte Harry, während sie Dessous-Kataloge zusammenrollte und in Little Mims Postfach schob. »Warum lässt sie sich so viele Unterwäsche-Kataloge schicken?«
»Weil sie geheime Wünsche hat«, antwortete Miranda. Little Mim, seit ein paar Jahren geschieden, war einsam – einsam und unglücklich in Harrys Nachbarn Blair Bainbridge verliebt.
»Oh.« Harry blinzelte. Sie kam nie auf solche Gedanken. »Es ist Mittag. Gehen Sie jetzt zum Fordhändler oder nicht?«
»Ich gehe. Ich hab doch gesagt, dass ich gehe. Ich weiß, ihr denkt alle, ich kann nicht bis drei zählen, geschweige denn, einen Kauf tätigen.«
»Das habe ich nie gesagt.«
»Aber gedacht.«
»Harry, beruhigen Sie sich. Ich finde, Sie können gut mit Zahlen umgehen. Ich bewundere Ihre Sparsamkeit. Ich fahre schließlich noch den Falcon meines Mannes, und wie viele Jahre ist es her, dass Gott meinen armen George zu sich rief? Wirklich, ich fühle mit Ihnen.«
Harry bereute ihre Gereiztheit. »Das weiß ich, Miranda. Ich weiß nicht, warum ich so aufbrausend war.«
»Wegen Ihrem Ex.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich glaube, ich komme besser ohne die drei Musketiere zurecht. Haben Sie was dagegen, wenn ich sie in der Mittagspause durcharbeiten lasse?«
»Nimmst du mich mit?« Tucker wedelte mit ihrem nicht vorhandenen Schwanz.
»Ich bleibe hier.« Pewter legte eine Pfote auf das zerdrückte Folienpäckchen.
»Dann bleib ich auch hier. Viel Glück, Mom.«
Zwanzig Minuten später rollte Harry den Pantops Mountain hinunter; sie war auf der 1-64 gefahren und bei der Ausfahrt Shadwell nach links in die Route 250 eingebogen. Die Ford-Vertragshandlung auf der Nordseite der Straße nahe am Fluss war in blitzendem Blau-Weiß gehalten. Früher hatte es einmal eine überdachte Brücke über den Rivanna gegeben, Freibrücke genannt, weil für ihre Benutzung kein Brückenzoll entrichtet werden musste. Bei einem schweren Sturm standen die Pferdekutschen hintereinander auf der Brücke und warteten, bis das Schlimmste vorüber war. Heutzutage galten solche Zufallsbegegnungen und das vernünftige Hinnehmen der Launen der Natur nichts mehr. Die Leute meinten, sie könnten sich über alles hinwegsetzen. Die überdachte Brücke war einer zweispurigen Brücke mit Strebepfeilern gewichen, die wiederum einer vierspurigen seelenlosen Konstruktion Platz machen musste. Die Leute rasten über den Fluss, ohne dass es ihnen einfiel, anzuhalten und hinunterzublicken oder mit Bekannten ein anregendes Schwätzchen zu halten, während über ihnen der Donner grollte.
Harry hielt vor dem älteren Gebäude der Ford-Handlung mit den großen Fenstern an.
Art Bushey kam heraus, um sie zu begrüßen. »Hi, Schönste. Hab ich dir je erzählt, dass ich eine Schwäche für Posthalterinnen habe? Das Wort ›Halterin‹ hat es mir angetan. Ich krieg ’ne Gänsehaut davon.«
»Pervers.« Harry boxte ihn, dann umarmte sie ihn.
»Ich wusste, dass du kommst. Halb Crozet hat mich angerufen, dein Exmann inklusive. Er liebt dich immer noch, Harry. Aber he, alle Männer fliegen auf dich.«
»Nun mach mal halblang.«
»Aber hören tust du’s gern, oder etwa nicht? Du bist eine gut aussehende Frau. Ich will, dass gut aussehende Frauen Ford-Transporter fahren.« Er steckte den Kopf in den 1978er Transporter, um einen Blick auf den Tacho zu werfen. »Wie oft ist das Ding auf null gesprungen?«
»Er hat über zweihunderttausend drauf.«
»Wir bauen Qualität, was?« Er klopfte auf die Kühlerhaube des blauen Transporters. »Komm, ich zeig dir, was ich habe, und Harry, mach dir nicht gleich ins Hemd wegen dem Geld. Ich zeig dir erst mal, was da ist. Du fährst die Autos Probe. Ich lass mir was einfallen. Klar, ich will dein Geld, versteh mich nicht falsch. Ich liebe Geld. Aber die Busheys, die Minors und die Hepworth« – er nannte den Mädchennamen ihrer Mutter – »sind schon so lange hier und haben viel gemeinsam
Weitere Kostenlose Bücher