Rache auf leisen Pfoten
1958 in Kobe kennengelernt. Da habe ich ein kleines Stück Land auf Kauai gekauft. So konnte Li ohne Weiteres zu ihrer Familie, und ich konnte in die Staaten.«
»Ich hoffe, du bringst sie mit zur Jubiläumsfeier.«
Er faltete die Hände. »Sie ist vor zwei Jahren gestorben. Lymphdrüsenkrebs. Sie hat sehr gekämpft.« Er hielt inne und schluckte. »Jetzt klappere ich in unserem Haus herum wie eine vertrocknete Erbse in einer zu großen Hülse. Die Kinder sind erwachsen. Meine Tochter Mandy arbeitet bei Rubicon Advertising in New York, John leitet den Kubota-Vertrieb auf Kauai, und Carl ist Rechtsanwalt in Honolulu. Sie sprechen fließend Japanisch. Ich kann mich einigermaßen verständigen, aber die Kinder tun’s fehlerfrei, und das ist heutzutage sehr gefragt. Sie sind alle verheiratet und haben selbst Kinder.« Er lächelte. »Oh, ich hab mich gehen lassen.« Er schlug sich auf den Schenkel. »Hier sitze ich und rede nur von mir. Erzähle, wie es dir ergangen ist.«
»Ich habe George Hogendobber geheiratet, er wurde hier Posthalter, und wir führten ein ruhiges, aber glückliches Leben. Er ist vor fast zehn Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Manchmal kommt es mir vor wie gestern.«
»Ich kann mich nicht an George erinnern.«
»Er ist aus Winchester hierhergezogen.«
»Kinder?«
»Nein. Dieser Segen blieb mir versagt, aber dafür ist Mary Minor Haristeen wie eine Tochter für mich. Die junge Frau, die du vorhin gesehen hast.«
»Miranda, du warst der sprühende Funke in unserer Klasse. Du ahnst gar nicht, wie oft ich an dich gedacht habe, aber ich habe mich nie hingesetzt, um einen Brief zu schreiben. Ich bin ein lausiger Briefeschreiber. Du bleibst für immer meine Highschool-Liebe. Das war eine schöne Zeit.«
»Ja«, sagte sie schlicht.
»Ich wollte die Welt sehen, und ich habe sie gesehen. Nun bin ich hier. Wieder daheim.«
»Mir ist, als hätte auch ich die Welt gesehen, Tracy. Meine Welt war in mir. Die Bibel hat mir seit Georges Tod viel Kraft gegeben. Harry sagt, ich bin eine fromme Eule.«
»Harry?«
»Die junge Frau im Postamt.«
»Ja, natürlich. Minor. Die Leute an der Yellow Mountain Road. Er hat eine Hepworth geheiratet.«
»Du hast ein gutes Gedächtnis. Harry ist ihre Tochter. Sie sind schon lange tot.«
»Was ist eigentlich aus Mim Conrad geworden? Hat sie Larry Johnson geheiratet?«
»Nein.« Miranda senkte die Stimme, als wäre Mim nebenan. »Larry war vier Jahre älter als wir. Er war mit dem College fertig, als wir unseren Highschool-Abschluss machten, erinnerst du dich? Er hat dann Medizin studiert. Sie sind miteinander gegangen, aber ehe ich’s mich versah, war’s aus zwischen ihnen. Er hat eine andere geheiratet, und Mim hat Jim Sanburne geheiratet.«
»Diesen Tölpel?«
»Genau den.«
»Mim mit Jim Sanburne verheiratet. Ich fass es nicht.«
»Er war groß und sah gut aus. Jetzt wird er langsam fett. Aber er ist ein herzensguter Mensch, wenn man ihn erst mal richtig kennt.«
»Hab mich nie drum bemüht. Lebt Larry noch?«
»Ja, er hat hier jahrzehntelang praktiziert. Er übt seinen Beruf noch aus, aber die Praxis hat er an einen jungen Doktor verkauft, Hayden McIntire, mit der Maßgabe, dass Larry noch ein Jahr arbeitet, bis sich die Patienten an Hayden gewöhnt haben. Das ist nun schon ein paar Jährchen her. Und er arbeitet immer noch. Hayden hat, so scheint’s, nichts dagegen. Larrys Frau ist schon vor Jahren gestorben. Er und Mim stehen auf freundschaftlichem Fuß.«
»Die zwei waren ein heißes Thema.«
»Man weiß nie, wie die Würfel fallen.« Sie kicherte ein bisschen.
»Da magst du recht haben. Jetzt bin ich hier. Miranda, es ist, als wäre ich nie weg gewesen. Oh, ein paar Sachen haben sich verändert, wie das Altersheim an der Eisenbahnunterführung.«
»Vorsicht. Kein Mensch nennt das heute noch so, zumal wir uns selbst dem Alter nähern. Das heißt jetzt betreutes Wohnen.«
»So ’n Quatsch.«
»Hm – na ja.« Sie lächelte. »Die Stadt ist fast unverändert. Es sind Vororte entstanden. Einer namens Deep Valley an der Route 240 und einer auf dem Weg zur Miller-Schule. Es gibt eine nagelneue Grundschule, die den Bezirk eine schöne Stange gekostet hat. Aber im Großen und Ganzen ist Crozet Crozet geblieben. Nicht hübsch. Nicht malerisch. Aber unsere Heimat.«
»Brauchst du Hilfe bei den Vorbereitungen für das Ehemaligentreffen?«
»Eine liebenswürdige Frage.« Sie verschränkte vergnügt die Hände.
»Das verstehe ich als ein Ja.« Er
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