Rache auf leisen Pfoten
»Das ist hübsch ausgedrückt.«
»Wohl wahr.« Bitsy stand auf, um sich noch einen Tom Collins zu mixen. »Chris, ich schulde dir eine Flasche Tanqueray.« Dann kehrte sie zum ursprünglichen Thema zurück: »Aber wie erkennt man, was eine Phase ist und was ein chronischer Charakterzug?«
»Man erkennt es lange Zeit überhaupt nicht. Bis ich dahinterkam, dass mein Freund ein egozentrischer Trottel war, hatte ich drei Jahre in die Beziehung investiert«, klagte Chris.
Bitsy hörte zu und warf Eiswürfel in das hohe mattierte Glas.
»Was ist dieser Blair Bainbridge eigentlich für ein Mensch?«, fragte Chris. »Ich kann ihn nicht so richtig einordnen.«
»Er ist Model«, sagte Harry. »Verdient Unmengen Kohle. Er geht mal mit Little Mim Sanburne aus, mal mit Frauen aus den Nachbarorten. Er ist irgendwie« – sie überlegte einen Moment – »unentschlossen.«
Bitsy ließ sich auf die Couch plumpsen und störte Pewter abermals, die murrte. »Er kann so unentschlossen sein, wie er will, solange er so ein Prachtexemplar von einem Mannsbild bleibt.«
»Amen, Schwester.« Chris hob ihr Glas, als wollte sie Bitsy zuprosten.
Bitsy sagte zu Harry: »Wir hatten alle gedacht, du und Fair würdet wieder zusammenkommen.«
»Hat dir das Mrs Hogendobber erzählt?«
»Nein«, antwortete Chris, »aber es schien einfach, äh, auf der Hand zu liegen, und Fair sieht ausgesprochen gut aus.«
»Fair Haristeen ist der beste Pferdedoktor in Mittelvirginia. Er ist ein guter Mensch. Als Ehemann war er so lala. Wenn er dich interessiert, sag’s ihm. Mir tust du damit nicht weh.«
Chris wurde rot. »Harry, das würde ich nie tun.«
»Es macht mir nichts aus.«
»Macht es wohl«, widersprach Tucker.
Bitsy trank einen großen Schluck. »Harry, keiner Frau ist ihr Exmann dermaßen gleichgültig.«
»Ah.« Harry wechselte das Thema. »Market Shiflett ist Single. Netter Kerl.«
»Sieht nicht aus wie Blair Bainbridge«, erklärte Bitsy rundheraus.
»Wer einen umwerfenden Prachtkerl heiratet, muss sich damit abfinden, dass andere Frauen ihm nachlaufen und er früher oder später untreu wird. Ein Mann wie Market ist zuverlässig, treu und ehrlich. Ich persönlich finde solche Eigenschaften sehr sexy. Mit zweiundzwanzig fand ich das nicht, aber jetzt«, sagte Harry.
»Da ist was dran«, stimmte Chris zu.
14
Aus drei Gründen nahmen die Leute an Charlie Ashcrafts Begräbnis teil. Der erste war, seiner Mutter Linda beizustehen, die sich ihr Lebtag keine Feinde gemacht hatte. Sie hatte jung geheiratet, war mit zweiundzwanzig mit einem sechs Monate alten Baby sitzen gelassen worden und hatte sich abgerackert, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wie so viele verlassene Frauen hatte sie ihren Sohn verwöhnt – den einzigen Mann, der sie wirklich liebte – und ihrem Sprössling aus zahllosen Krisen geholfen. Die arme Linda hatte nicht erkannt, dass sie Teil des Problems war. Sie hatte inbrünstig geglaubt, dass sie die Lösung war.
Der zweite Grund für die Teilnahme der Leute an der Beerdigung war der zu sehen, wer sonst noch da war – insbesondere, ob tränenüberströmte Frauen zugegen waren. Erstaunlicherweise sah man keine.
Der dritte Grund, aus dem die Leute kamen, war der, sich zu vergewissern, dass Charlie tatsächlich tot war.
Ein einziger Reporter vom Daily Progress berichtete über das Ereignis, der Lokalsender Channel 29 dagegen schickte keine Kameras, die die Feierlichkeit störten. Der Chef des Senders war selbst nicht gut auf Charlie zu sprechen gewesen und verweigerte jetzt mit Genuss dem selbstgefälligen Fatzke die Berichterstattung über sein letztes gesellschaftliches Ereignis.
Als die Leute nacheinander die schlichte Baptistenkirche verließen, flüsterte Harry Susan zu: »Ist dir aufgefallen, dass nur wenige mit Blumen gekommen sind?«
»Ja. Vielleicht spenden die Leute das Geld lieber für einen guten Zweck.«
»Höchstwahrscheinlich spenden sie es einer Abtreibungsklinik. Die meisten von seinen Freundinnen sind dort gelandet.«
Susan schnappte nach Luft, verschluckte sich an einem Pfefferminz, und Harry klopfte ihr auf den Rücken. »’tschuldigung.«
Dank ihrer schönen Stimme hatte man Miranda Hogendobber, eine Stütze des Chors der Kirche zum Heiligen Licht, aufgefordert, auf der Beerdigung ein Solo zum Besten zu gehen. Auf Linda Ashcrafts Bitte hatte sie »Faith of Our Fathers« gesungen. Als sie mit ihrer Chorrobe über dem Arm aus dem Hinterausgang der Kirche kam, erspähte sie Harry
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