Rache auf leisen Pfoten
und Susan.
»Sonderbar«, sagte Mrs Hogendobber leise.
»Ah, ja«, pflichteten die zwei Freundinnen ihr bei.
Sie gingen den Hang hinauf. Vor ihnen breitete sich das dunkelgrüne Gras des Friedhofs aus. Weiter vorne gingen Boom Boom, Bitsy und Chris.
»Vielleicht kannten sie Charlie besser, als wir dachten«, sagte Susan mit gedämpfter Stimme.
»Boom Booms Schleppdampfer. Aber Marcy Wiggins fehlt. Hm.« Harry überlegte einen Moment. »Boom hat vermutlich unter Tränen angerufen, sie brauche Beistand, weil er ihr erster Highschool-Freund war. Erstaunlich, wie sie es schafft, sich in den Mittelpunkt des Dramas zu stellen.« Sie verstummte, da sie sich der Grabstätte näherten.
Linda, die schon am Grab stand, wurde von ihrem Schwager gestützt. Die Ärmste war völlig verzweifelt. Als die Leute sich um das offene Grab versammelten, betrachtete Harry, die hinten stand, die Schar der Trauernden – falls man sie so nennen konnte. Von Linda abgesehen war die Stimmung pietätvoll, aber nicht tief betrübt. Meredith McLaughlin, Market Shiflett und Bonnie Baltier waren da, alle aus derselben Highschool-Klasse.
Big Mim Sanburne war anwesend, Little Mim fehlte. Wer da war und wer nicht, war interessant, und Sheriff Rick Shaw und seine Stellvertreterin Cynthia Cooper waren nur gekommen, um die Versammelten zu beobachten. Sie waren allerdings so diskret, sich bei einem solchen Anlass keine Notizen zu machen.
»Lassen Sie uns verschwinden, bevor Linda durch die Menge kommt, ja?« Rick nahm Cynthia, die sehr groß war, am Arm und schob sie zur Kirche.
Harry bemerkte dies und ließ daraufhin Susan und Miranda stehen, um sich Cynthia und Rick anzuschließen. Sie sagte: »Traurig. Nicht, dass er tot ist, sondern weil es außer Linda niemanden bekümmert. Könnt ihr euch ein Leben vorstellen, wenn einen keiner wirklich liebt und man selbst dran schuld ist?«
»Eine Verschwendung.« Cynthia brachte es auf den Punkt.
Die drei blieben an einem Grab stehen, das mit frischen Blumen geschmückt war. Die Inschrift auf dem Granitstein lautete: »Timothy Martin, 1. Juni 1958 – 29. Januar 1997«. Am Fuße des Grabsteins war ein von links nach rechts rasender Rennwagen eingemeißelt. An den Ecken des Grabes markierten zwei karierte Flaggen Tims letzte Ziellinie.
»Ich wusste gar nicht, dass sie sein Grab so gestaltet haben.« Rick erinnerte sich, wie er Tims Überreste aufgelesen hatte, nachdem dieser vom Afton Mountain kommend in einer tückischen Kurve ins Schleudern geraten war. Er war auf der Route 6 zu schnell abgebogen und förmlich über den Abhang geflogen. Tim war an den Wochenenden Stockcar-Rennen gefahren. Obwohl er ein guter Fahrer war, hatte er das Glatteis übersehen, das ihn das Leben kostete.
Die Flaggen flatterten. »Schön, dass seine Familie ihn so in Erinnerung behält, wie er gelebt hat. Es würde ihm gefallen.«
»Sie bedecken ihn ständig mit Blumen«, bemerkte Cynthia. »Ich hoffe, dass jemand auch mich so sehr liebt.«
»Bestimmt – nur Geduld.« Lächelnd schlug Rick sein kleines Notizbuch auf. »Was meinen Sie, Harry?«
»Ich würde alle befragen, die nicht hier sind, aber hier sein sollten.«
Er lächelte wieder. »Kluges Kind.«
Die Menge am Grab zerstreute sich.
»Schenken wir uns den Empfang. Es ist für Linda schon schwer genug, auch ohne zwei Polizisten am Tisch.« Cynthia ging zu ihrem Privatwagen. Sie waren nicht mit dem Streifenwagen gekommen, und da der Sarg von der Kirche direkt zum Friedhof getragen wurde, hatte eine Polizeieskorte sich erübrigt. Rick und Cynthia waren überaus feinfühlig.
Gemessenen Schrittes kamen Miranda, die Robe über dem Arm, und Susan über den Hang. Sie winkten Harry zu, die am Hintereingang der Kirche wartete.
Miranda atmete aus und sah Harry fest an. »Ich möchte Sie gern kurz sprechen.« Die zwei gingen unter die Bäume, und Miranda redete Harry zu, einen Mieter aufzunehmen, und zwar Tracy.
15
Wie so viele Ärzte war der Onkologe Bill Wiggins es gewohnt, seinen Willen durchzusetzen. »Stante pede« war sein Lieblingsausdruck, was in seinem Medizinerjargon so viel wie »dalli, dalli« bedeutete.
Er saß auf seiner Sonnenterrasse, und während er den grünen Rasen betrachtete, auf dem sich nicht ein Löwenzahn blicken ließ, nahm er zugleich seine Frau in Augenschein.
»Marcy, du hast abgenommen.«
»Ich kann bei dieser Sommerhitze nichts essen.« Sie sprengte die Zierkirschen am Rasenrand.
»Du musst dich mal gründlich durchchecken lassen.
Weitere Kostenlose Bücher