'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
schlief die Frau tief und fest. Sie hatte kurze rote Haare, eine winzige Spitznase und ungemein schmale Lippen. Ihre blasse Haut ließ sie wie eine Pantomime erscheinen.
Der Mörder schloss den Kofferraumdeckel, schob seine Arme unter den Körper seines Opfers und hob es erneut in die Höhe. „Es tut mir fast ein wenig leid, dass ich dir das antun muss. Denn du bist wirklich sehr hübsch. Vielleicht hätte aus uns sogar ein Paar werden können. Aber das ist nun leider unmöglich. Ich muss dich töten. Ich muss es tun. Es gibt keinen anderen Weg. Nur auf diese Weise kann wieder Gerechtigkeit in der Stadt herrschen.“
Nach wenigen Sekunden schritt der Mörder los. Kaum hatte er den Kiesweg mit zwei großen Schritten verlassen, da stakste er mit seinem Opfer über den Waldboden, trat über mehrere Äste hinweg und richtete seinen Blick streng voraus.
Möge das Spiel in seine dritte Runde gehen!
Zwei Minuten später trat der Mörder auf eine Grasfläche hinaus, die beinahe quadratisch geformt war und achtzig Quadratmeter umfasste. Rundherum wurde sie fast vollständig von Bäumen umgeben.
Mit einem Lächeln schritt der Mörder weiter, bis er exakt in der Mitte der Fläche stehen blieb und sich umschaute. Unverhofft empfand er wieder dieses Freiheitsgefühl, das er schon von seinen ersten Morden kannte. Einerseits verspürte er es aufgrund der weiten Fläche, die ihn umgab, andererseits verspürte er es, weil er genau wusste, welche Genugtuung er in wenigen Sekunden zum wiederholten Mal erlangen würde.
Dies war sein Moment. Er wusste es. Er musste diesen Augenblick genießen. Zwar würde er in den nächsten Tagen noch eine vergleichbare Empfindung erleben dürfen, doch dieser Ort war zweifellos etwas Besonderes. Er hatte ihn sich nicht einmal so befreiend vorgestellt. In seinen kühnsten Träumen hätte er nicht gedacht, dass er einen so großen Gefallen an diesem trostlosen Ort finden würde. Doch ganz ohne Frage liebte er dieses unerwartete Gefühl. Es war das i-Tüpfelchen auf seinem Mordplan.
Wenn du dich jetzt nicht frei fühlst, dann fühlst du dich niemals frei , sagte er sich selbst, bevor er die Frau vor sich in das hohe, feuchte Gras legte.
Das ist das Leben! So gefällt es mir!
Er breitete seine Arme aus und legte den Kopf in den Nacken. Bald schon fühlte er sich wie der König der Welt. Er war derjenige, der über Leben und Tod entschied. Er hielt die Macht in seinen Händen.
Und nun werde ich mein viertes Todesurteil vollstrecken.
„Hast du noch einen letzten Wunsch?“, fragte er sein bewusstloses Opfer mit einem sarkastischen Grunzen, ehe er zu seinem Gürtel griff.
„Nein? Nun, dann eben nicht.“
Er zog eine Pistole aus seinem Gürtel, strich mit Anmut und Ehrfrucht über deren Lauf und seufzte vergnügt.
Es ist herrlich. Es ist so einfach, einen Menschen zu ermorden. So verflucht einfach. Und es macht auch noch einen Heidenspaß!
Sein Opfer reagierte immer noch nicht.
„Jetzt ist die Zeit gekommen. Auf geht’s!“
Er beugte sich herab, hielt der Frau die Pistolenmündung an die rechte Schläfe und atmete durch.
Im nächsten Moment drückte er reuelos ab.
17
Nora saß an diesem trüben Dezemberabend einmal mehr vor Timos Bett in der Uniklinik. Auch heute hatte ihr niemand eine positive Nachricht überbringen können. Erneut war ein Tag ohne Veränderung verstrichen. Und die Ermittlerin fragte sich mittlerweile schon, ob dies ein schlechtes oder doch eher ein gutes Zeichen war.
Du darfst nicht gehen. Du kannst mich nicht alleine lassen, Schatz. Das würde ich nicht aushalten. Ich liebe dich so sehr. Du musst wieder aufwachen.
Eine Träne löste sich in ihrem Augenwinkel. Ihre Hände begannen zu zittern, als sie sie auf Timos rechten Handrücken legte, in der Hoffnung, ihm etwas von ihrer letzten Kraft zu übertragen.
„Du musst kämpfen“, sagte sie plötzlich laut. Sie wusste, dass Komapatienten angeblich vieles von dem hören konnten, was man ihnen sagte. Auch wenn sie dieses Phänomen bisher niemals wirklich hatte nachvollziehen können, glaubte sie in diesem Moment ganz fest an dieses Wunder. Denn es tat ihr gut, ihre Gedanken und Empfindungen laut auszusprechen und davon überzeugt zu sein, dass Timo ihre Sätze hören konnte.
„Ich liebe dich von ganzem Herzen. Ich werde nie im Leben etwas mit Thomas oder einem anderen Mann anfangen. Du bist der einzige, der einen Platz in meinem Herzen gefunden hat. Und ich werde nicht zulassen, dass du diesen Platz einfach so
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