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'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)

'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)

Titel: 'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Linnemann
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sie. Es wurde vor knapp einem Jahr an einem Strand auf Rügen aufgenommen. Beide saßen Arm in Arm auf einer Sanddüne und lächelten glücklich in die Kamera. Das Foto hatte ein Tourist geschossen.
    Es war Noras und Timos erster gemeinsamer Urlaub gewesen, nachdem sie sich ein Jahr zuvor kennengelernt hatten. Zwei Wochen hatten sie auf Noras Lieblingsinsel jede einzelne Sekunde bis zum Äußersten ausgekostet, ohne das etwas ihr Glück hätte trüben können. Nora hatte sich in Timos Gegenwart so sicher und geborgen gefühlt wie lange zuvor nicht mehr. Sie hatte sogar gedacht, dass Timo der Mann ihres Lebens sein könnte. Ein ruhiger, verlässlicher Mensch, an dessen Seite sie bis zu ihrem Lebensabend zufrieden verweilen könnte.
    Doch dann kam alles anders. So ist es doch immer im Leben. Man muss die fröhlichen Momente bestmöglich festhalten, denn sie können innerhalb kürzester Zeit vorbei sein. Binnen weniger Sekunden ändert sich alles grundlegend. Dann führt man auf einmal ein Leben, das gar nichts mehr mit all den Jahren zuvor zu tun hat. Als wäre man plötzlich ein anderer Mensch. Ein Mensch mit neuen Aufgaben, Zielen und Perspektiven. Aber man wird nicht gefragt, ob man dieser Mensch überhaupt sein möchte. Man wird in diese Position hineingezwängt, ohne sich dagegen wehren zu können. Letztlich bleibt einem nur noch die Erinnerung. Die Erinnerung an eine andere, bessere Zeit in der Vergangenheit.
    Nora vermutete, dass Thomas ihr in diesem Moment folgenden Ratschlag erteilen würde: ‚Dieses neue Leben ist keine Bestrafung, sondern eine Chance. Es ist deine Aufgabe, das Beste aus jeder Situation zu machen. Wenn du dazu in der Lage bist, dann bist du wahrhaft glücklich.’
    Seit jeher spazierte Thomas sorglos durch sein Leben. Er kümmerte sich nicht darum, was gestern war. Ihn interessierte auch nicht, was morgen kommen mochte. Er war einer derjenigen Menschen, die immer im Hier und Jetzt lebten. Dabei gelang es ihm zumeist auf beeindruckende Weise, jeder noch so schwierigen Situation das Positive abzugewinnen. Nora wünschte sich, diese Fähigkeit ebenfalls zu besitzen. Doch sie war von Grund auf anders gestrickt. Sie dachte stets über das Leben als solches nach. Sie brauchte Regeln im Alltag, einen roten Faden, an dem sie sich von Tag zu Tag weiter vorhangeln konnte. Am liebsten würde sie bereits heute wissen, was gegen Ende des Fadens auf sie wartete, um sich darauf einstellen zu können. Planung und Strategie kennzeichneten ihr gesamtes Leben. Doch Schicksalsschläge wie Max’ Verhaftung oder Timos Tod durchkreuzten ihre Pläne und Vorstellungen immer wieder aufs Neue. Allmählich beschlich sie sogar die Vermutung, dass Tommys Lebenseinstellung im Vergleich zu ihrer die gesündere war. Ihn konnte nichts wirklich erschüttern, weil er keine besonderen Erwartungen an das Leben stellte. Andererseits hatte er aufgrund dieser Einstellung nichts, worauf er sich bewusst freuen konnte.
    Noras Blick haftete noch immer auf dem Foto. Gedankenverloren strich sie über Timos Gesicht und dachte mit einer Mischung aus Trauer und Zuversicht: Ich liebe dich, Schatz. Ich werde dich immer lieben. Aber es ist an der Zeit, dass ich mein Leben wieder in den Griff bekomme. Ich darf die Verzweiflung nicht gewinnen lassen. Ich muss nach vorne blicken. Du wirst immer einen besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen. Doch ich muss loslassen. Ich muss es lernen. Um selbst wieder leben zu können.
    Mit aller Macht kämpfte Nora gegen ihre Tränen an. Allerdings wusste sie schon jetzt, dass sie diesen Kampf verlieren würde, da sie in bestimmten Lebensbereichen überaus emotional geprägt war. Aber gerade als sie die ersten Tränen in den Augen spürte, klingelte es plötzlich an der Haustür. Reflexartig blickte die Kommissarin zur Digitaluhr auf ihrem Nachttisch: 21 Uhr 02. Sie legte das Foto aufs Bett, wischte sich die Tränen aus den Augen und stand auf. Im Grunde war sie froh, in diesem Moment aus ihren trüben Gedanken gerissen zu werden. Sie konnte sich jedoch nicht vorstellen, wer um diese Uhrzeit persönlich bei ihr vorbeikam. Daher straffte sie unsicher ihr Kreuz und schritt durch den Flur zur Haustür.
    Sie schaute zunächst durch das Fenster neben der Tür. Doch draußen war niemand zu sehen. Keine Menschenseele.
    Nora öffnete die Tür und trat einen Schritt vor, um die Straße mit ihren Blicken abzusuchen. Spielten ihr einige Kinder aus der Nachbarschaft einen Streich? Versteckten sie sich in der Nähe und

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