'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
Für den eigenen Vorteil machen sie alles. Gelegentlich gehen sie dafür sogar über Leichen. Das mussten wir beide nun wohl auf bittere Art und Weise erfahren.“
„Ich wünschte, ich hätte rechtzeitig reagiert“, ärgerte Tommy sich. „Wenn ich dir während unseres Telefonates sofort geglaubt hätte, dass Xenia die Täterin ist, dann wäre das alles niemals passiert. Dann hätte ich sie festnehmen können und der Fall wäre schon längst erledigt. Aber nun läuft diese Wahnsinnige irgendwo dort draußen herum und begeht vielleicht schon ihren nächsten Mord. Sie hat doch jetzt nichts mehr zu verlieren! Mit jeder Minute wird sie unberechenbarer. Denn sie wird genau spüren, dass wir sie so lange jagen werden, bis wir sie geschnappt haben.“
„Du solltest dir deswegen aber keine Vorwürfe machen. Es kann jedem mal passieren, dass die eigenen Gefühle den Blick für die Realität trüben. Ich spreche aus Erfahrung. Es heißt nicht umsonst: Liebe macht blind. Aber ich hoffe, dass du in Zukunft etwas vorsichtiger mit deinen Frauenbekanntschaften umgehst.“
„Das kannst du mir glauben. Ab sofort werde ich mir meine One-Night-Stands genauer anschauen.“
„War Xenia für dich denn wirklich nur ein One-Night-Stand?“
Tommy rieb sich die Nase. „Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass es so wäre. Aber ich muss gestehen, dass ich tatsächlich den Eindruck gewann, sie wäre etwas Besonderes. Ich kann es dir nicht einmal erklären. Ich fühlte eine ganz bestimmte Verbindung zu ihr. Von Anfang an. Schon als ich sie zum ersten Mal im Blue Note sah, war ich wie weggetreten. Dieses Gefühl kannte ich zwar schon von einigen anderen Frauen, aber als ich mich anschließend mit Xenia unterhielt, bekam ich den Eindruck, dass ich sie schon ewig kannte. Ich weiß nicht, ob du das nachempfinden kannst. Wahrscheinlich klingt es wie das Gefasel eines pubertierenden Jugendlichen. Ich finde es selbst äußerst seltsam. Aber so war es einfach. Sie kam mir wie eine Seelenverwandte vor.“
„Und das hast du an einem einzigen Abend gespürt?“, fragte Nora argwöhnisch.
„Ja. Im Nachhinein ist mir natürlich bewusst, dass ich mich von ihrer aufgesetzten Art habe blenden lassen. Aber das hatte ich im Blue Note noch nicht erkannt. Da war sie so zärtlich und liebevoll.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann es nicht begreifen.“
„Kannst du dich denn an ihren Angriff erinnern?“
„Nicht wirklich. Ich stand vor Xenias Schreibtisch und telefonierte gerade mit dir. Xenia saß zunächst hinter mir auf dem Bett und ging kurz darauf ins Bad. Dann bekam ich plötzlich einen Schlag auf den Hinterkopf und spürte im nächsten Moment schon das Messer in meiner Brust. Es ging so schnell, dass ich nicht mehr reagieren konnte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich in dem besagten Augenblick mit allem gerechnet hätte, außer mit Xenias Attacke.“
„Ich kann mir vorstellen, dass es schwer für dich ist, die bittere Wahrheit zu akzeptieren.“
Thomas sah seine Kollegin mit ernster Miene an. „Nein, du solltest mich wirklich besser kennen. Es ist im Grunde sehr leicht für mich, damit umzugehen. Denn es interessiert mich nicht im Geringsten, was gestern war. Heute zählt. Und es wird mir eine Freude sein, dieses elende Miststück eigenhändig hinter Gitter zu bringen. Sobald ich wieder einsatzbereit bin, ist Xenia fällig. Sie wird sich nicht vor mir verstecken können. Ich werde sie finden. Das schwöre ich dir.“
Nora schüttelte den Kopf. „Das wird nicht möglich sein.“
„Wieso nicht?“
„Weil ich sie bis dahin längst geschnappt habe.“
42
Samstag, 28. April 2012
Sowohl der Vor- als auch der Nachmittag dieses tristen Samstags verstrichen, ohne dass Nora und ihre Kollegen eine heiße Spur von Xenia finden konnten. Zwar hatte jede Streife ein Foto der Studentin erhalten und im Radio und in den Zeitungen wurden mehrere Aufrufe gestartet, doch bisher war noch kein Hinweis auf Xenias Aufenthaltsort eingegangen. Noch war die 22-Jährige erfolgreich auf der Flucht. Das bedeutete allerdings nicht, dass die Laune der Ermittler am Tiefpunkt angelangt wäre. Denn die Freude über Thomas’ Gesundheitszustand überwog bei ihnen eindeutig. Sie konnten nach wie vor nicht glauben, dass ihr Kollege den Messerangriff tatsächlich überlebt hatte. Wahrscheinlich würde es noch einige Tage dauern, bis sie dieses kleine Wunder vollständig begriffen hatten.
Um 19 Uhr 30 erhielt Nora sogar doppelten Grund zur Freude:
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