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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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den Zorn ihres Sohnes
     auf sich zu ziehen. Und obwohl Richelieu, wie zu Stein erstarrt, sich nicht rührte, erteilte Ludwig ihm das Wort, ohne |38| daß er es erbeten hatte. Auf einmal trat lebhafte Neugier in die Gesichter der Räte, die meisten fragten sich wohl, wie Richelieu
     es anstellen werde, seine Meinung zu äußern, ohne es sich mit der Königinmutter unwiderruflich zu verscherzen. Doch Richelieu
     zeigte auch bei dieser Gelegenheit, daß es ihm einzig um den König und das Reichsinteresse ging.
    »Der Ruf Eurer Majestät«, sagte er, sich dem König zuwendend, »nötigt Euch, Euren Verbündeten beizustehen, sobald ihnen Schaden
     droht. Spanien verspricht sich von der Einnahme Casales einen unerhörten Vorteil. Wenn Ihr es zwingt, die Belagerung aufzuheben,
     Sire, helft Ihr nicht nur dem Herzog von Nevers, sondern Ihr beruhigt auch die italienischen Stadtstaaten, die sich täglich
     durch den unersättlichen spanischen Appetit bedroht fühlen: Florenz, Parma, Modena, die Republik Venedig zittern davor, ihre
     Unabhängigkeit zu verlieren. Sogar der Papst fürchtet um seine Staaten (sieh an, dachte ich, welch hübschen Stein er da nebenher
     in den Garten der Frömmler wirft). Sire, Italien ist gleichsam das Herz der Welt. Alles konzentriert sich dort, und Mailand
     ist das Hauptstück der spanischen Herrschaft. Denn seit die Madrider Habsburger Mailand besetzt haben, können sie sich jederzeit
     mit den Wiener Habsburgern vereinigen und somit ihre Kräfte verdoppeln. Es geht also nicht an, sanftmütig die Augen zu verschließen
     und Casale zu vergessen. Zumal der Spanier einen Angriff in Italien am meisten fürchtet, weil er dort am verwundbarsten ist.«
    Nach dieser Analyse, in der so viele Tatsachen in so wenigen Worten dargelegt waren, daß die Einsprüche Bérulles und Marillacs
     im Vergleich hohl, kläglich und unangemessen erschienen, legte Richelieu eine Pause ein und blickte den König an, als bäte
     er um die Erlaubnis fortzufahren. Dieses wohlbedachte Schweigen aber hatte den Zweck, Ludwig zu erinnern, daß er der Herr
     war und daß sein Minister nur auf seinen Befehl dachte und sprach.
    »Sprecht weiter, Herr Kardinal«, sagte der König.
    »Es besteht kein Anlaß, Sire«, sagte Richelieu, »die Aufhebung der Belagerung Casales und die Fortsetzung unseres Kampfes
     gegen die Hugenotten in Konkurrenz zu setzen. Diese Unternehmungen müssen eine nach der anderen durchgeführt werden, notwendig
     sind beide. Sire, ich bin kein Prophet, doch glaube ich Eurer Majestät versichern zu können, daß, wenn mit |39| der Ausführung keine Zeit verloren wird, Ihr die Belagerung von Casale im Mai beendigen und Italien den Frieden geben könnt.
     Wenn Ihr danach mit Eurer Armee abzieht, könnt Ihr die protestantischen Städte des Languedoc Eurem Gehorsam unterwerfen und
     dort im Juli Frieden schließen. Also daß Eure Majestät, wie ich hoffe, im August siegreich nach Paris heimkehren kann.«
    Die Gewandtheit dieser Rede machte mich sprachlos.
    ***
    »Monsieur, auf ein Wort, bitte.«
    »Schöne Leserin, ich leihe Ihnen gern mein Ohr.«
    »Das fehlte auch, daß Sie mir das abschlügen! Nachdem ich Ihnen so viele Dienste geleistet habe: Jedesmal wenn Sie mit Ihren
     Memoiren an einem schwierigen Punkt sind, rufen Sie mich zu Hilfe, um dem Leser die Dinge auseinanderzusetzen.«
    »Den Leser spreche ich doch auch an!«
    »Sie erteilen ihm aber nie das Wort.«
    »Weil er es nicht ergreift, Madame. Wer wüßte nicht, daß Damen nun einmal eher, schneller und lieber reden als Herren?«
    »Weshalb ich ja auch fürchte, daß Ihre rege kleine Herzogin mich künftig in die Vorhöfe Ihres Wohlwollens verbannen wird.«
    »Seien Sie unbesorgt, Madame, ich werde meine geneigten Leserinnen darum nicht vergessen, und Ihre klugen Fragen sollen mir
     wie stets willkommen sein.«
    »Wenn Sie mich so ermutigen, fange ich gleich damit an: Warum, Monsieur, finden Sie diesen epischen Zeitplan, den Richelieu
     für den König entwirft (zuerst beendigt Ihr die Belagerung von Casale, dann bringt Ihr die Hugenotten zur Räson), so bewundernswert?«
    »Eben weil er episch ist, Madame. Daraus, wie der Kardinal hier vorgeht und spricht, springt einem seine Finesse geradezu
     in die Augen. Zuerst überzeugt er Ludwig durch Gründe: Alles wird gesagt und gut gesagt, mit Energie und in wenig Worten.
     Doch genügt es nicht, den König zu überzeugen; er muß gewonnen werden. Daher der Kriegskalender. Aus bekannten Gründen liebt
    

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