Rache: Die Eingeschworenen 4
Handbewegung.
» Das kam von dem schlechten Bier«, widersprach er. » Und überhaupt habe ich hinterher noch mal eine genauso lange gegessen, als Ersatz für das, was ich verloren hatte.«
Bei diesem Festgelage hatte es, wie ich mich erinnerte, große Brotfladen mit gebratenen Steckrüben und Fleisch gegeben, das man sich mit langen Spießen aus einem gemeinsamen Topf fischte, denn Wladimir hielt es noch mit den Sitten seiner Vorfahren. Aber der Geruch, wenn bei einem Menschen Gesicht und Haare brennen, hatte mir die Sache ziemlich verdorben und uns einen ewigen Feind eingebracht– einen weiteren, als hätten wir nicht schon genug davon.
Ich sagte ihm, mich erinnere dieses Gefängnis hier an kochendes Blut und Kotze.
Finn zuckte die Schultern.
» Ich muss ja jetzt nur deshalb daran denken, weil wir damals auch im Gefängnis waren«, sagte er. » Zumindest du, ich und Krähenbein. Und wir sind wieder herausgekommen.«
Das war richtig. Wir waren in Wladimirs Gefängnisgrube geworfen worden, weil Krähenbein Klerkon mit seiner kleinen Axt den Schädel gespalten hatte, was in unseren Augen keine schlechte Sache war. Aber er hatte es ausgerechnet mitten auf dem Marktplatz von Holmgard, das Wladimir Nowgorod nannte, getan, und das war weniger klug gewesen. Damals drohte uns ein Pfahl im Arsch. Diesmal würden sie uns in einem Käfig aufhängen, bis wir verhungerten oder zu Tode gesteinigt würden.
» Hast du eine Geschichte, die helfen könnte?«, fragte ich Krähenbein, und er runzelte die Stirn. Damals war es eine seiner besten Geschichten gewesen, über die wir alle so lachen mussten, dass es uns aus der Grube befreit hatte, denn normalerweise gab es dort kein Gelächter.
» Es wäre besser, wenn ich aufhörte, Geschichten zu erzählen«, sagte er mürrisch. » Das ist Kinderkram, und schließlich bin ich jetzt ein Mann.«
» Du hast zwar den Stimmbruch hinter dir«, erklärte Finn, » aber damit bist du noch kein Mann. Sag mir Bescheid, wenn deine Eier runterhängen wie verschrumpelte Walnüsse, dann werde ich dich vielleicht einen Mann nennen.
» Und im Übrigen«, fuhr er fort, » ich mag deine Geschichten.«
Das war eine faustdicke Lüge von einem Mann, der Krähenbein früher schon bei den Worten » Es war einmal ein Mann…« zwischen die Ruderbänke geworfen hatte. Krähenbein sah Finn nur mit seinen merkwürdigen Augen an, die er zusammengekniffen hatte.
» Also sterben wir hier«, sagte der rote Njal, als hätte er gerade entschieden, wo er sich für die Nacht zusammenrollen würde. » Na ja, nicht gerade der Ort, den ich mir ausgesucht hätte, aber wir müssen das Gewand tragen, wie es die Nornen für uns weben. Besser, zu wenig erwartet, als zu viel verlangt, wie meine Großmutter immer sagte.«
Ich dachte nicht, dass wir hier sterben würden, denn dieser Kasperick wollte das Masurenmädchen haben und den Verdienst, der ihm winkte, wenn er sie an die Polen verkaufte– oder an ihr eigenes Volk, wer immer die größere Summe bot–, aber erst musste er sie bekommen. Er würde uns brauchen, um mit der Mannschaft der Kurzen Schlange zu tauschen.
» Er ist ein Kriecher«, sagte Finn, als ich laut darüber nachdachte. » Der wird sich an keine Abmachung halten und uns trotzdem umbringen.«
Bjarki kam herein; wie ranziges Öl glitt er durch die Tür des Lagerraumes, ein bösartiges Grinsen in dem verwüsteten Gesicht.
» Bringt mich lieber um«, knurrte Finn, » damit ich nicht länger sehen muss, wie dieses kleine Arschloch sich freut.«
Bjarki, der allein war, kam näher und setzte sich, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass wir ihn durch die Gitterstäbe nicht erreichen konnten.
» Für dich wird es keinen so schnellen Tod geben, Finn Rosskopf«, nuschelte er durch seinen vernarbten Mund. » Und ganz bestimmt auch für dich nicht, Orm Bärentöter. Du bist mir was schuldig– für ein Auge und eine große Narbe.«
» Wenn du Onund begegnest«, warnte ich ihn, » dann kannst du dich auf eine noch größere gefasst machen.«
» Ach, du erwartest also, dass ihr gerettet werdet, Bärentöter?«, höhnte Bjarki.
» Du hättest wirklich allen Grund zur Angst«, sagte Krähenbein, » denn die Eingeschworenen werden kommen.«
Bjarki verzog spöttisch den Mund.
» Was bist du doch für ein armseliger Knirps, Junge«, stellte er fest. » Ein König ohne Krone, ein Prinz ohne Hofstaat. Ein Schatten deiner selbst. Und bald wird auch das Vergangenheit sein.«
» Ein Schatten kann immer noch eine
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