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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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wesentlich mehr, als man je ahnen konnte. An Nähmaschinen und Öfen allgemein dachte kein Händler im Traum. Dieses Gesuch war ein Mittel zum Zweck, boten doch viele Leute Nähmaschinen und alte Öfen in Hülle und Fülle an. Damit bestand die Möglichkeit, eben in die Häuser bzw. Haushalte zu gelangen. Ich selbst stieß zwei alte, funktionstüchtige Grammophone nebst eines Stoßes Schellackplatten ab, einen alten Bierkrug ohne Deckel und einige alte Gewürzgarnituren, natürlich im Laden des Inserenten. Ich war im Moment nicht bereit, mir einen Händler ins Haus zu holen. Ich roch den Braten längst, denn die sammlerische Tour mit der die rabiatesten Händler im Osten operierten, fruchtete bei mir nicht. Und weil der Händler meine Haushaltsgegenstände in die Kategorie »außergewöhnlich« stufte, engagierte er mich als Einkäufer. Ich muss gestehen, dass mir der Verkauf einiger Artikel schwer gefallen ist. Weil ich ein wenig Startkapital benötigte, saß mir das Hemd näher als der Rock und verkaufte, was nicht niet- und nagelfest war. Natürlich hatte ich schon einige Erfahrungen beim Handel mit Antiquitäten. Letzten Endes beklagte ich mich auch nicht über den erzielten Gewinn. »Mackenrodt mein Name!«, rief mir der Inserent aus der Leipziger Volkszeitung entgegen und streckte mir seine Hand hin. Vor mir stand eins der windigsten Schlitzohren des Antiquitätenmarktes. Da mir dieser Handschlag sympathisch war, unterschrieb ich einen Wisch, den Mackenrodt als »Abmachung« deklarierte. Ich bin also eine Abmachung mit der Berliner Firma »Antik und Trödel«, Mackenrodt, jun., Sitz in 10555 Berlin-Tiergarten, Alt-Moabit, eingegangen, um nicht zu sagen, dass ich ihr aufgesessen bin. Mein neuer Chef war besonders interessiert, weil ich zum Teil auch die Leipziger Szene einschließlich ihrer Hinterhöfe kannte. Der Zettel den ich da unterschrieb, war dreckig und speckig wie die Hände Mackenrodt’s und dann existierte dieses Stück Papier nur einfach – ein Duplikat hat es nicht gegeben. Wahrscheinlich war das Papier knapp und ein »Mann der Feder« war Mackenrodt nicht. Er hat gesagt, dass es für meine Person richtig war, meinen »Wilhelm« auf diese Abmachung zu setzen. So existierten wenigstens ordentliche Verhältnisse zwischen ihm und mir und vor allem, ich hätte nun etwas »in der Hand«. Mackenrodt hatte eigentlich auch nichts in der Hand, denn er schmiss den Zettel der Ordnung halber einfach in die Schublade einer alten Kommode, die er dann irgendwann samt Inhalt verscheuerte. »Denn mach ‘n wan ‘n richtijen Kontrakt mit allem Pipapo, wahh?« Anschließend hat mir Mackenrodt die Hand noch einmal hingestreckt und gesagt, dass er Ulli heiße. »Dat ick diesen Bauch habe«, sagte er, »kommt von ‘t ville fressen und saufen!« Dabei zeigte er mit krummgebogenem Zeigefinger auf die Wölbung unterhalb der Brust, griff nach der Zigarette, die er sich hinter die rechte Ohrmuschel geklemmt hatte und brannte sie an. Nach Meinung meines neuen Chefs, hatte ich jetzt all die Informationen aus seiner Privatsphäre intus, die mich etwas angingen. Nebenbei gesagt, der Kittel, der sich über Mackenrodt’s Bauch spannte, war mindestens eine Konfektionsgröße zu klein, das nur ganz nebenbei!

    Mackenrodt wollte übrigens das Antiquitätenmonopol für Leipzig erwirken. »Da lachen ja die Hühner, bei dieser Konkurrenz!«, dachte ich. Ein größeres Möbellager im Bereich der Plagwitzer Gießerstraße existierte allerdings schon und ein weiteres stand in der Delitzscher Straße ins Haus. Rund um die Uhr wurde die Bevölkerung mit Ankaufsanzeigen bombardiert, besonders während des Entstehens Leipziger Niederlassungen des Antiquitätenhandels. Ich selbst hängte Ankaufszettel in die Häuser, die mir auf Grund der Altersgruppen der Bewohner interessant erschienen. Mackenrodt hat das so akzeptiert, begründet durch meinen »Heimvorteil« für Leipzig. Ich verdiente dabei zwar nur »kleines Geld«, wie man so schön sagt, aber besser als nichts! »Un Kleenvieh macht ooch Mist, vastehste dette?«, hat er gesagt und mir sehr feierlich eine Bockwurst und einen lauwarmen Kaffee spendiert. Am darauf folgenden Tag hatte ich das Glück, eine größere Haushaltsauflösung »aufzureißen«. Damit landete am übernächsten Tag wieder Zaster in meiner Tasche. Ein Teil des Mobiliars wurde am Wochenende nach Berlin-Tiergarten transportiert, d.h., Endstation dessen war der dortige Flohmarkt zwischen der Straße des 17. Juni und der

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