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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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Siegessäule. Das bessere »Kleinzeug«, wie z.B. gutes Glas und Porzellan, landete in einem Charlottenburger Laden. Ich selbst musste samstags drei alte Bilder in eine türkische Ladenzone nach Kreuzberg transportieren. Ein viertes kleineres Ölbild hatte ich frei zur Verfügung, welches ich auf dem Heimweg in Charlottenburg absetzte. Dort lernte ich eine Menge Leute kennen, die auf bestimmte Artikel, wie z.B. mechanische Musikinstrumente, Uhren und alte Beleuchtungskörper spezialisiert waren. Im Nu war der Monat rum. Einmal pro Woche traf ich mich mit Mackenrodt in Berlin-Tiergarten oder dort, wo er meist die Finger auf interessante Waren legte, nämlich in Kreuzberg. Wenn nichts lief, übernahm er alten Hausrat und mittelprächtige bis gute Antiquitäten vom Türken zu günstigen Preisen. Da war für Mackenrodt immer noch ein kleiner Verdienst drin, auch die Türken hatten ihren Schnitt gemacht. Ich selbst profitierte auch noch davon. Die besten Stücke verschwanden im Alt-Moabit Tiergartens, d.h., in Mackenrodts Domizil. Er redete nie darüber und forderte mich auf, ebenfalls Stillschweigen zu wahren. So weit, so gut – ich akzeptierte, schließlich war er ja mein neuer Brötchengeber!
    Zwischenzeitlich machte ich mir über die künftige Zusammenarbeit mit Mackenrodt ernsthaft Sorgen. Er hielt mir neulich acht abgezählte, fast neue Zehner vor die Nase, die mir noch vom letzten Wochenende zustanden. Bevor er sie mir in die Hand drückte, zog er einen davon heraus, dann noch einen. Es sah aus, als wollte er Karten geben. Dann überlegte er einige Sekunden und schob einen Zehner wieder zurück zu den sechsen. Plötzlich befand sich in seiner linken Hand ein Fünfer. Er hielt ihn einige Sekunden in der Hand und ließ ihn wieder in seiner Brusttasche verschwinden. Somit waren es letztendlich 70 DM. »Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, jedenfalls für die Zukunft!«, habe ich mir gesagt.

    Im Laufe der Zeit hatte ich mir ein System beim »Durchkämmen« der Stadt ausgeklügelt. Dazu nahm ich mir das Telefonbuch zur Hand und siebte in unendlicher Kleinarbeit Familiennamen von A bis Z heraus und das straßenweise. Dann ordnete ich sie nach altdeutschen Vornamen wie z.B. von Agnes bis Waltraud oder Alois bis Zacharias, um die Altersgruppen derer zu treffen, die für den Besitz älteren Haushaltsinventars in Frage kommen könnten. In solche Häuser hängte ich also unsere Ankaufszettel. Oftmals mussten Dachböden im Rahmen geplanter Sanierungen geräumt werden. Zum Inventar gehörten Schränke, Kommoden Nähtische u. ä. Ich fuhr also mit meinem Fahrzeug und einem größeren Anhänger in solche Gegenden und befragte die Bewohner nach altem Mobiliar – selten ohne Erfolg. Manchmal halfen mir die Hausbewohner beim Transport durch die Treppenhäuser, manchmal jedoch war ich auf mich allein gestellt, vor allem, wenn Mobiliar von hochbetagten Bürgern angeboten wurde. In solchen Fällen legte ich die Treppenstufen entsprechend der Größe des jeweiligen Möbelstückes mit Decken aus und beförderte das Objekt so Stufe für Stufe vom Dachboden bis zum Hof herunter. Meist transportierte ich die Möbel gleich in ein Lager, welches wir irgendwann in Eutritzsch aufschlugen. Es war ein düsteres, vor fünfzig Jahren stillgelegtes größeres Waschhaus in einer Halbruine. Vermutlich gehörte es zu einer ehemaligen Wäscherei. Die zum Teil desolaten Möbel hatten eben ein Dach über dem Kopf, dafür war das Lager gut genug! Außerdem traf aller vierzehn Tage ein LKW ein, auf den wir dann die zusammengetragenen Möbel luden, zum Zweck des Abtransportes in den Westen, d.h., hinter die ehemalige »Grüne Grenze«. Für Berlin gab es nur eine Trennung und zwar zwischen den Berlinern in Ost und West. Ich hatte mir vorgenommen, die ehemaligen »Ostsektoren« nie zu betreten, weil im Osten immer von so genannten »Sachsenschweinen« die Rede war. Damit waren diejenigen gemeint, die besonders stark sächselten. In dieser Hinsicht war ich sensibilisiert. Der Flohmarkt z.B. in Berlin-Tiergarten war mit mindestens fünfzig händlerischen Nationalitäten durchsetzt, die beim »Schachern« strikt nach dem Slogan handelten »Du gibst mir, ich gebe dir!« Ich hatte z.B. bei Mackenrodt nie den Eindruck, dass er die Sachsen nicht mochte. Das lag allerdings daran, dass er viel zu geschäftstüchtig war.
    In einem Fall trieb ich mich den ganzen Monat über in Plagwitz und Leutzsch herum, denn zwischenzeitlich hatten sich Leute gemeldet, die

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