Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
Vom Netzwerk:
angesäuselte Gummersbach gegen 17.45 Uhr. Da waren für ihn schon alle Eulen verflogen. Er setzte sich 18.00 Uhr in Bewegung und zwar in Richtung Westhalle. Ich trug seine Koffer. Gemeinsam bewegten wir uns zum Bahnsteig zehn, weil Gummersbach das so wollte. Kurz vor Mitternacht fuhr noch ein Zug in Richtung Saalfeld. Gummersbach nahm auf einer X-beliebigen Bank Platz und fing an, erbärmlich zu schnarchen.

    Unter der Fuchtel der Pallhuber ist es mir einigermaßen gut gegangen, finanziell jedenfalls, aber ich stellte fest, dass das Gaststättengewerbe auf die Dauer nichts für mich war. Die Übernahme dieser kellnerischen Tätigkeit war ohnehin aus der Not geboren. Ich grübelte darüber nach, wie ich der Pallhuber schonend beibringen könnte, dass ich bei passender Gelegenheit die »Segel streichen« würde. Dazu bekam ich nie die Gelegenheit – es kam alles ganz anders: Frau Pallhuber rief mich wider Erwarten ins Büro. Schatten lagen auf ihrem Gesicht. »Der Pachtverdrach läuft aus«, sagte sie, »ich werde Ihn` de Kündchung aussprechen müssen, dann kriechen Se Arbeitslosenjeld ohne zeitliche Kürzung!« Am nächsten Tag schrieb sie mir eine tolle Empfehlung, die übertrieben jeder Anfrage des Pariser Hotels Maxim’s DE PARIS standgehalten hätte, aber dafür konnte ich mir nichts kaufen. Der Besitzer der Räumlichkeiten der Bahnhofsgaststätte meldete Eigenbedarf an und Frau Pallhuber flog samt Personal aus dem »Bahnhofsstübchen«. Geplant hatte sie die Übernahme eines bescheidenen Gartenlokals, welches zum Ende des 20. Jahrhunderts noch mit bescheidener Toilette, d.h. zu gut Deutsch, mit einem Plumpsklo und einer desolaten Ofenheizung ausgestattet war. Das und vieles andere musste erst einmal »weginvestiert« werden. An einen Personaleinsatz jetziger Stärke war gar nicht zu denken, noch dazu im Jwd Leipzigs. Zu diesem Gartenlokal gehörte noch eine abgewrackte Kegelbahn mit Tresen. Unsere Chefin wollte allerdings ihren Koch übernehmen unter der Maßgabe, dass wenigstens die Zubereitung eines Imbiss’ gesichert sei. Mir wurde eröffnet, wieder als Aushilfskellner zu wirken, falls geplanter Gaststättenbetrieb zum Tragen käme. Ich verstand die genannten Kündigungsgründe bis aufs Haar, da ich innerlich Freude empfand, vor allem deshalb, weil ich aus meinem Alptraum als Bahnhofskeller endlich aufwachen durfte. Am nächsten Tag reihte ich mich in das Arbeitslosenheer ein und zwar im Arbeitsamt Leipzig. Da ich mir fest einbildete so früh am Morgen mit von der ersten Partie zu sein, mischte mich unter die Menschenmassen. Ich erinnerte mich daran, dass wir in der ehemaligen DDR nach Tonträgern der »Rolling Stones« anstanden und nun nach einem Job. Ich war ganz und gar abwesend, bis mich eine gellende Stimme wachrief: »Hallö Sie, immer dor Reihe nach! Guggen Se ma, da is’n Hebel un da müssen Se enne Garte ziehen!« »Wozu?«, fragte ich. »Nu, weil da enne Nummer droff ‘n steht, un die sacht Ihn’, wenn Se dran sin!«, war die Antwort. Der Herr war Bürohengst der zichsten Garnitur beim Arbeitsamt und überwachte den ordnungsgemäßen Ablauf während der Arbeitslosenmeldungen. Er führte mich zu einer Apparatur, mit der papierne Nummern ausgestanzt wurden und zog an einem Hebel. Das Gerät spuckte einen Art Eintrittskarte aus, auf der eine dreistellige Zahl stand. »So, das war ‘s!«, sagte der Mann vom Arbeitsamt. »Jetzt ist wohl alles erledigt?«, fragte ich. »Nüscht is erledicht«, antwortete der Herr vom Amt, »Se hamm bloß de Nummer 187 – Se sin also dor 187 te im Bunde! Na dann gutte Nacht, das gann bei Ihn‘n ‘ne Leipziger Messe dauern – Se hätt ‘n ähm eher gomm müssen!« Dabei war ich schon vor Öffnung des Arbeitsamtes vor Ort. Ich setzte mich zwischen die Wartenden und lauschte dem Lautsprecher an der Zimmerdecke, über den die Arbeitslosen nach und nach aufgerufen wurden. Als ich nach ca. zwei Stunden immer noch ca. 150 »Kunden« vor mir hatte, dampfte ich wütend ab.

Unkraut vergeht – Der Messie vom Kurfürstendamm

    Ich liierte mich mit der Berliner Firma Mackenrodt, Antik und Trödel. Sie erschien Anfang der 90er Jahre auf der Leipziger Plattform. Dass ich in dieser Firma einstieg, wollte der Zufall, obwohl mein Vater einmal sagte, dass es keine Zufälle gäbe. Ich folgte dem Aufruf eines Aufkäufers: »Suche zu Höchstpreisen alte Waagen, Kaffeemühlen, Gewürzgarnituren, transportable Uralt-Öfen, sowie Nähmaschinen etc!« Hinter dieser Anzeige steckte

Weitere Kostenlose Bücher