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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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des Geldes wanderte durch Kalles Kehle, in die Handtasche Irmas und dann in eine Spielhölle. Mackenrodt’s Vertrauen war bisher unendlich. Nun forderte er eine glasklare Abrechnung, doch der Anfangsetat für unseren Antiquitätenhandel Raum Leipzig, war so gut wie »verheizt«. In der darauf folgenden Woche suchte Mackenrodt alle Kunden auf, die Kalle heimsuchte. Der Grund waren die äußerst fragwürdigen Abrechnungen Kalles. Da gab es z. B. die Familie Ringsleben in der Limburger Str. 10, die an Spangenberg eine vierschübige Gründerzeit-Weichholzkommode der Umstände wegen zum Preis von zwanzig DM verscheuerte. Ringsleben, Pfarrer i.R., nannte Kalle sogar einen Scharlatan. Die Kommode musste eben vom Dachboden herunter und in der Wohnung war kein Platz. Kalle schlug voll zu und kassierte von seinem Chef vier nagelneue Hunderter, ohne das ,Exponat‘, so nannte es Kalle, seinem Chef zu präsentieren. Mackenrodt hatte sich also von Kalle übertölpeln lassen. Zum Schluss fiel Mackenrodt fast in Ohnmacht – achtzig Spitzweg-Nachbildungen erwarb Kalle wie gesagt, in der Karl-Heine-Straße und zwar zum Stückpreis von vierzig DM – ein schönes Geschäft für mich! Lehrer Schusters Versprechen galt und ich durfte 30% Provision einstreichen. Da waren also für achtzig Bilder 3.200 DM entrichtet. Die Schusters waren übrigens tolle Leute und Ende siebzig. Er, das Oberhaupt der Familie, war Lehrer in Pension und malte für sein Leben gern Motive von Postkarten auf das schlimmste Material, was es als Malgrund je gab, nämlich Hartfaser. Wegen des Terpentingestanks im Haus, verwendete er eben keine Ölfarben, sondern Acryl. Damit begann er mit eben diesen spitzwegschen Motiven ins Rennen zu gehen, u.a. auch als ein Hobby während seines Rentnerdaseins. Schuster war entzückt, als ich seine Bilder das erste Mal bewunderte. Er schenkte mir sogar eins. Die Farben auf den Hartfaserplatten waren auf Grund schlechter Mischtechnik unnatürlich stechend. Die Landschaften hingegen waren super, doch die Gesichter schauten ausgesprochen dämlich drein. Schuster bekam sie, wie so viele andere Freizeitmaler auch, nicht hin. »Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!«, sagte ich mir und riet Schuster ab, künftig Hartfaserplatten für Malgründe zu verwenden, sondern Pappen oder eher Leinwände. »Ach was! In meinem Alter?«, widersprach Schuster
    Kalle meinte, er hätte den größten Reibach seines Lebens gelandet, also mit dem Ankauf dieser herrlichen, möglicherweise echten »Spitzwege«. »Knorjke is, det der olle Schusta aus Plagwitz keene Ahnung von Kunst hat!«, dokumentierte er mit Nachdruck. »Soll ick den Rest noch aus sein’ Haushalt raushol‘n? Krieje ick fürn Appel un‘n Ei! Da sin ooch noch vill bessere Bilda vorrätich. Un, die Ossis jetzte mit die DM ...« Mackenrodt ließ Kalle gar nicht ausreden und schleuderte einen »Spitzweg« nach dem anderen durch die Luft, dicht an Kalles Kopf vorbei. »Haste wat an ‘ne Birne? Wat soll ‘n diesa Schrott?! Det Zeuch kooft keene Sau, Mensch! Un wat is mit die Möwel?«, brüllte er, sodass sich seine Stimme fast überschlug. Ich habe Mackenrodt noch nie so erlebt. »Wo is det Jeld, der Rest von die Dreißichdausend?«, fragte er und verschwand im Lager. Kalle schwieg. Noch am gleichen Tag schmiss ihn Mackenrodt aus der Firma. Als Kalle auf dem Hof des Lagers stand, tat er mir leid. Warum eigentlich? Dann war Mackenrodt plötzlich in Sanftmut getaucht: »Denn haste det Jeld wohl offe Seite jebracht, wahh? Nu haste so ville wie ‘n Minista in ‘n anderthalben Monat inne Tasche! Awa ick will nischt mehr davon wissen!« sagte er. Es klang, als wollte er Gnade vor Recht ergehen lassen. »Denn nimm den Zasta jleich als Startjeld für deine neue Zukunft un sach deine Mutta ‘n schön’ Jrus von mir, vaschstehste?! Un sach ihr ooch, det se off sich uffpassen soll, wejen die Jeschlechtskrankheiten! Außadem passt der Adelstitel, also det »von«, wat se sich da vor ihr’n Namen jehang’ hat, ooch nich zu ihr! Richte ihr ooch aus, det ick keen Jeld mehr habe! Un wenn se jetze och noch als Callgirl arweetet, brauch se mir sowieso nich anzurufen!« Mackenrodt machte seinem Herzen schlicht und einfach Luft. Er wusste demnach alles über das Treiben der Frau Rosa »von« Zangenberg aus Rummelsburg. Für mich gab es da nur die Spitze des Eisberges, aber die Geschichte interessierte mich nicht sonderlich. Kalle war mir immer ein Dorn im Auge. Jedenfalls hatte ich ihn

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