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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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Weise hatte Kamprad bisher 20.000 Zeitungen verteilt. Zustellen nannte er das. Außerdem bat er den Leipziger Stadtanzeiger um ein zusätzliches Territorium. Die Geschäftsleitung spielte plötzlich nicht mit, weil sie erstens den Braten roch und weil es zweitens einen so genannten Gebietsschutz für andere Zusteller gab. Die hatten natürlich ebenfalls den Dreh raus und nahmen die Zustellung der Zeitungen bündelweise vor. Somit sicherten sie sich im Durchschnitt bis zu 80 DM pro Tag. Die Zeitungsbündel trieben sich halbe Jahre lang in den Hausfluren herum und wurden von einer Ecke in die andere geschmissen. Abscheulich dreckig geworden, beförderte man sie dann, natürlich ungelesen, in die Papiercontainer. Manchmal standen sie auch auf Trottoiren und falls die Bindfäden drumherum rissen, wurde die Entsorgung vom Wind erledigt.

    Inzwischen als Anzeigenberater und Verkäufer eingestiegen, plagte ich mich als Erstes mit einem doofen Autohändler aus Mannheim namens Röhl herum, der sich später als gewöhnlicher Wald- und Wiesenschieber entpuppte. Unerfahren wie ich war, fiel ich mit der Tür ins Haus und klappte meinen Aktenkoffer auf, um Röhl zu einer Anzeigenschaltung zu animieren. »Klauen Se mir nicht die Zeit!«, sagte er und war mit mir fix und fertig. Jetzt kam ich auf den Dreh, ein Auto zu kaufen. Dazu inszenierte ich eine Art Anbahnung, um den Autohändler nicht zu verwirren. Ich fragte ihn, ob er ein Verwandter des Berliner Großhändlers und Inhabers der Volkswagen-AG Röhl sei oder diese Firma wenigstens kennen würde. Röhl verneinte und behauptete sogar, dass er das seriöseste Unternehmen Deutschlands sei. Damit meinte er natürlich den Osten. Er handelte nach dem gleichen Prinzip, wie viele andere windige Händler auch, die sich nach dem Mauerfall in der ehemaligen DDR etablieren wollten: »Fang’ se an zu rosten, ab in den Osten!« Schauerliche Karossen standen da auf dem Hof einer Ruine herum. Röhl ging mit mir durch die Fahrzeugreihen. Ich schaute unauffällig unter die Kotflügel einiger PKW’s. Da lachte mir doch glatt der wolkenlose Himmel von oben entgegen. Dann blieben wir an einem VW-Käfer der älteren Baureihe stehen, eine Gelegenheit und als so genannter Oldtimer ein Schnäppchen, wie Röhl meinte. Die gespachtelten und mit Farbe überpusteten Flächen besonders im Bereich der Zierleisten, waren selbst für mich als Laie gut zu erkennen. Sie verdeckten selbstverständlich die Rostlöcher im Blech. Ich sagte nichts. Röhl meinte, dass mit der Karre kaum jemand gefahren sei und daraus resultiere eben der verhältnismäßig hohe Preis. »Trotzdem – is geschenkt!«, sagte er. Auf dem Tachometer befand sich ein fünfstelliges Zählwerk, welches mit Sicherheit einige Male um die eigene Achse gelaufen war. Natürlich hatte man es zurückgedreht, denn es standen gerade mal zwanzigtausend Kilometer auf dem Tacho und Reifenprofile waren kaum noch erkennbar. Also war man mit diesem völlig heruntergeschlachteten Fahrzeug pro Jahr etwas über 4000 km gefahren. »Sehr schön!«, log ich, staunte wie ein Bauklotz und drückte mir die Nase an der Seitenscheibe platt, um einen Blick in das Innere des VW Käfers werfen zu können. Besonders auffällig war eben der Wahnsinnspreis auf dem Pappschild. Röhl schloss den Wagen auf und ich setzte mich auf den Fahrersitz. Gleich ging die Karre tief nach unten, weil vermutlich auch die Stoßdämpfer im Eimer waren. Ich bat um den Zündschlüssel, doch Röhl kniff erst einmal aus gutem Grund. Nach langem Hin und Her durfte ich den Motor anlassen. Ich kurbelte fast die Batterie leer, bis das Vehikel ansprang. Ich trat die Kupplung, legte den Gang ein und wollte anfahren – der Wagen fuhr einfach los, obwohl die Handbremse fest angezogen und der Gang eingelegt war. Vermutlich war die Kupplung ohne Wirkung. Für Röhl war das so in Ordnung. Er meinte, dass West-Fahrzeuge nie entzwei gingen. Röhl hatte von der Fahrzeugtechnik Ahnung, wie ein Nilpferd vom Hochsprung. Erschrocken trat ich auf die Fußbremse – der Wagen rollte trotzdem noch ein Stück weiter. Dann schaltete ich die Zündung aus, blieb noch eine Weile vor diesem Fahrzeug stehen und heuchelte Entzückung höchsten Grades und reges Interesse am Kauf. Röhl bot mir zwei Prozent Rabatt. »Auch das noch!«, dachte ich und beäugte jetzt einen Kombi, Opel Kadett-Caravan, Baujahr angeblich 1989. Die Motorhaube war über und über mit Steinschlägen übersät. Es hatte den Anschein, als hätte man

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